Eine Geschichte für heute

Wenn jemand von draußen hereinkommt, mit dem Wind in den Kleidern und der Kälte im Gesicht, dann würde ich am liebsten meinen Kopf unter die Decke stecken, um nicht zu denken: Wann ist es uns wieder mal vergönnt, Luft zu riechen?

Und obwohl ich meinen Kopf nicht unter der Decke verstecken darf, mich im Gegenteil aufrecht und stark halten muss, kommen die Gedanken doch, nicht nur einmal, sondern viel Male, unzählige Male."

Diese Zeilen schreibt Anne Frank am 24. Dezember 1943 in ihr Tagebuch. Zeilen, die erahnen lassen, wie quälend die Jahre im Versteck gewesen sind. Mehr als zwei Jahre lang kann sie sich verstecken in einem Hinterhaus in Amsterdam. Zusammen mit ihrer Familie und ein paar Freunden. Dann wird sie verraten. Kurz vor Kriegsende stirbt sie im KZ Bergen-Belsen.

Das Schicksal dieses jüdischen Mädchens rührt an. Anne Frank lässt stellvertretend all die Verbrechen sichtbar werden, die das nationalsozialistische Terrorregime millionenfach verübt hat.

Eine große Ausstellung in der Konstantin-Basilika erinnert daran. Unter dem Titel "Anne Frank - Eine Geschichte für heute" wird sie am kommenden Mittwoch eröffnet. Ich meine: Das Motto ist gut. Denn die Lebensgeschichte Anne Franks hat Auswirkungen auf unsere Gegenwart. Die Verbrechen Nazi-Deutschlands haben Folgen auch für unsere Gegenwart. Daher halte ich es für wichtig, dass gerade junge Menschen diesen Teil deutscher Vergangenheit kennen und sich damit auseinander setzen. Damit sich die Vergangenheit nicht wiederholt. Denn Rassismus, religiöse oder politische Verfolgung darf es nicht geben. Nicht bei uns, nirgendwo. Offenheit und Toleranz müssen unsere demokratische Gesellschaft prägen. Ich meine: Wenn es uns gelingt, diese Grundwerte zu vermitteln, dann übersetzen wir das, was Jesus vorgelebt hat, in unsere Zeit hinein. Die Ausstellung über Anne Frank leistet dazu einen guten Beitrag.

Pfarrer Guido Hepke, Evangelische Kirchengemeinde Trier

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