Eine Maschine kann Altenpflege nicht übernehmen
Trier · Laufen, hören, sehen - das fällt Menschen im hohen Alter häufig schwer. Wie sich das anfühlt, konnten Schüler und Gäste in der Fachschule für Altenpflege Trier bei einer Alterssimulation selbst erleben. Am Tag der offenen Tür hat sich die Ausbildungseinrichtung mit vielen Angeboten präsentiert. Die Schüler haben dabei bei einer Modenschau auch die Geschichte der Pflege auf den Laufsteg gebracht.
Trier. Beatrice Schuster hat Probleme, das Kleingedruckte zu lesen. Auch wenn sie das Papier nah an ihre Augen hält, kann sie nur raten, was dort geschrieben steht. Wird sie von jemandem angesprochen, reagiert sie nicht. Denn sie hört es nicht. Und als sie exakt 1,87 Euro in Münzen aus einer Geldbörse suchen soll, gelingt ihr das nicht ohne Weiteres.
Eine Situation, die sie so noch nicht kennt, aber in einigen Jahrzehnten vielleicht erleben wird. Denn die junge Altenpflegeschülerin lässt sich auf eine Selbsterfahrung der besonderen Art ein. Gewichte am Körper lassen jeden ihrer Schritte zur großen körperlichen Anstrengung werden. Schoner an Knien und Ellenbogen verhindern, dass sie ihre Gelenke wie gewohnt bewegen kann. Geräusche dringen nicht an ihre Ohren. Die sind mit Kopfhörern abgeschirmt, die Beatrice nur wenige tiefe Töne wahrnehmen lassen. Sprechen mehrere Leute gleichzeitig, versteht sie gar nichts mehr. Und etwas sehen - auch das bereitet ihr Probleme. Denn durch eine spezielle Brille ist ihr Sichtfeld extrem eingeschränkt. Diagnose: grauer Star. Nur schemenhaft erkennt sie, was um sie herum geschieht. Um nicht an Tische oder mit Menschen zusammenzustoßen, muss sie geführt werden. Deshalb begleitet ihre Schulkollegin Kerstin Sorgen Beatrice durch die Gänge der Altenpflegeschule. Als sich die junge Frau der behindernden Accessoires entledigt, atmet sie auf. "Das ist ein befreiendes Gefühl!", sagt sie. Und erklärt: "Ich kann jetzt viel besser nachvollziehen, wie sich alte Menschen fühlen." Damit ist ein Ziel erreicht. Den Perspektivwechsel können alle Gäste, die zum Tag der offenen Tür in die Fachschule für Altenpflege Trier (Egbertstraße) kommen, an sich selbst vornehmen. Dabei geht es nicht um ein Experiment zum Amüsement, sondern um Bewusstseinsbildung. Die Alterssimulation soll helfen, "im Alltag anders mit alten Menschen umzugehen", erklärt Alexander Hack vom Beratungsteam Altenpflegeausbildung.
Den Berufszweig der Altenpflege positiv darzustellen, das macht sich die Trierer Schule beim Tag der offenen Tür zur Aufgabe. Positiv-Werbung sei lange versäumt worden, sagt Dozentin Karin Kronz-Becker. "Es kommt auch in den Medien zu kurz, welch wichtige Arbeit Altenpfleger leisten." Und das sei bei der zunehmenden Zahl Pflegebedürftiger wichtig. Deshalb hat die Einrichtung explizit auch Realschulen angeschrieben, um die nächste Generation von Schülern für den Beruf zu begeistern und ihnen auch die Entwicklungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Und auch die aktuellen Altenpflegeschüler bekommen ein Forum, um sich zu präsentieren. Unter anderem bringen sie die Geschichte der Altenpflege auf den Laufsteg. 13 Modelle schlüpfen in Kleider, die in der Altenpflege aktive Menschen von der Antike bis heute getragen haben. Der Blick in die Zukunft enthält auch leise Kritik: Ein Roboter stapft über den Catwalk - bei einem Beruf, bei dem der würde- und respektvolle Umgang mit Menschen einer der wichtigen Bausteine ist, kann dies nicht zur Realität werden, so lautet die Botschaft.Extra
Die Fachschule für Altenpflege wurde 1967 von den Vereinigten Hospitien und dem Caritasverband für die Diözese Trier gegründet. 2010 hat die Marienhaus-Unternehmensgruppe die Trägerschaft übernommen. Derzeit lernen etwa 80 Schüler im Gebäude in der Egbertstraße den Beruf. Voraussetzung ist ein Realschulabschluss. Auch Interessierte mit Hauptschulabschluss können sich zunächst als Altenpflegehelfer ausbilden lassen und dann eine verkürzte Ausbildung zum Altenpfleger absolvieren. Infos: www.altenpflegeschule-trier.de cofi
