Eine Nonne sieht rot

Trier · Zum neuen Theaterstück "Schwester Maria Ignatia kann alles erklären" der Trierer Laientruppe Limelight ist der kleine Saal der Tufa fast gänzlich gefüllt gewesen. Etwa 70 Gäste bekamen schweren Stoff zu sehen.

 Als vorweihnachtliches Krippenspiel nur bedingt geeignet: Claudia und Richard Stephen in „Schwester Maria Ignatia kann alles erklären“. TV-Foto: Frank Göbel

Als vorweihnachtliches Krippenspiel nur bedingt geeignet: Claudia und Richard Stephen in „Schwester Maria Ignatia kann alles erklären“. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. Vor dem eigentlichen Stück veranstalten Michael Roller und Janine Stibale einen marktschreierischen "Ablasshandel mit Tombola, drei Sünden zum Preis von einer": Zu den Todsünden, von denen man sich freikaufen kann, zählt neben unreinen Gedanken und Flugzeugentführung übrigens auch, über den Volksfreund zu lästern.
Aber so unterhaltsam das als Aufwärmer sein mag, bleibt die Intention schwammig. Worum geht es hier? Um religiöses Denken an sich? Seine Kommerzialisierung? Der Heilige Rock wird auch noch auf die Bühne gezerrt. Ist ja so schmutzig das Teil, soll in die chemische Reinigung.
Harald Schmidts Co-Moderator Manuel Andrack machte seinem Chef in einer Sendung mal den Vorwurf, Schmidt lasse sich nur deshalb ausgiebig über die katholische Kirche aus, weil die mittlerweile harmlos sei - da traut man sich dann eben was. Das kommt dem Zuschauer zu Beginn der Vorführung in der Tufa auch in den Sinn. Aber es scheint anzukommen: Obwohl Kritik am Ablass nicht ganz neu ist, wird selbst der quasi-historische Spruch "Wenn die Münze im Kasten klingt, die Seele in den Himmel springt" wie ein besonders origineller Einfall der Theatermacher beklatscht.
Ganz anders betreibt der amerikanische Autor Christopher Durang im folgenden Hauptstück seine Kritik an erzkatholischer Moral und den möglichen Folgen von pädagogischer Verantwortung in ihrem Sinne: Nämlich nicht, indem er ein grelles Zerrbild vorführt, sondern einfach die Erzieherin Nonne Ignatia zunächst aus dem ganz realen Katechismus erzählen lässt - so etwa vom Unterschied zwischen Fegefeuer und Hölle, und wo eigentlich die Babys hinkommen, die nach der Geburt gestorben sind - jedenfalls, bis man sich beim Konzil für eine andere ewige Wahrheit entschieden hat.
Sie erklärt noch die abwegigsten, von alt-testamentarischen Grausamkeiten durchzogenen Vorstellungen, als seien es einleuchtende Selbstverständlichkeiten, und Claudia Stephen (als Ignatia) schafft es, diese Figur vom ersten Moment an überzeugend unausstehlich erscheinen zu lassen - nicht weit hinter dem gespreizten Gehabe lauert eine gefährliche, sadistische Irre. Mag sie den kleinen Thomas auch für jede richtig herunter gerasselte Antwort auf ihre Fragen (Wer hat dich erschaffen?) mit einem Leckerli belohnen wie einen kleinen Hund - man ahnt schnell, was sie bei einer falschen Antwort machen würde.
Und wirklich: Die vier Erwachsenen, die plötzlich bei ihr auftauchen, um sich für die Demütigungen zu rächen, die sie als Kinder erdulden mussten, haben nicht den Hauch einer Chance, von Anfang an. Denn die Fundamentalistin Ignatia hat ihre irrsinnigen Dogmen längst zu einem wehrhaften Bollwerk ausgebaut - weil ihr Besuch das zu ahnen schien, hat eine der Frauen vorgesorgt. Doch was soll das helfen gegen eine, die den lieben Gott und alle Reiter der Apokalypse auf ihrer Seite weiß?
Wenn auch manchmal etwas steifes Spiel oder ein gelegentlicher Hänger verrät, dass die Theatertruppe zu einem guten Teil aus Laien besteht, so kann ein Besuch der neuen Limelight-Produktion dennoch empfohlen werden. Immerhin trauen sich hier welche an ein kontroverses Stück, das mehr als einmal auch dem sicherlich eher zugeneigten Publikum einiges abverlangt. Ein galliger Kommentar zu Odenwaldschule und Reliquienverehrung, wie er in einer pluralistischen Gesellschaft erlaubt ist. Weitere Aufführungen gibt es am 19., 20. und 27. November in der Tufa. fgg

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