Eine Prognose wagt keiner

TRIER. Zwei Wochen vor dem Wahlgang ums Trierer Rathaus eint die ansonsten so verschiedenen Kandidaten ein gemeinsames Problem: Das richtige Wahlkampf-Fieber ist in der Stadt noch nicht ausgebrochen. Dabei ziehen Ulrich Holkenbrink und Klaus Jensen seit Monaten um die Häuser, besuchen Straßen und Feste, laden zu Gesprächen, schirmherren, wo immer sie gefragt werden, diskutieren und dialogisieren nach Leibeskräften.

Und doch kommt oft das Echo: "Wir kennen die beiden ja nicht". Die von Bundes- und Landtagswahlen an Overkill-Kapazitäten gewöhnten Bürger haben offenbar Schwierigkeiten, den kommunalen Urnengang zur Kenntnis zu nehmen. Das mag auch damit zusammenhängen, dass ein großes, konkretes inhaltliches Streitthema fehlt. Holkenbrink ist für den Handwerkerpark im Feyener Wald, Jensen dagegen. Aber das ist für Normalbürger schwerlich wahlentscheidend. Jensen ist beim Moselaufstieg skeptisch, Holkenbrink begeistert. Aber darauf hat der Trierer OB so viel Einfluss wie der Eintracht-Trainer auf die Fußball-Nationalmannschaft.Die Unterschiede zwischen beiden Bewerbern spielen sich eher im Grundsätzlichen ab. Jensens zentrales Thema ist die Bürgerbeteiligung. Er will mehr Mitspracherecht auf allen Ebenen, kritisiert, dass Politik in Trier oft an den Bürgern vorbei gemacht worden sei. Holkenbrink verweist dagegen auf ein hohes Maß an Zufriedenheit der Bürger mit ihrer Stadt. Er setzt auf eine florierende Wirtschaftsentwicklung und weiteren Einwohner-Zuwachs. Sein Credo: Die 100 000-Einwohner-Marge müsse auch in zwanzig Jahren noch Bestand haben, dem demographischen Wandel zum Trotz.

Bei Jensen stehen ökologische Themen in der Wichtigkeits-Skala oft weit oben, etwa bei Radwegen, Regionalbahn oder ÖPNV-Angeboten. Prioritäten setzt er auch beim baulichen Zustand der Schulen. Holkenbrink hat alle diese Themen auch auf der Agenda, stellt sie aber unter den Vorbehalt der Finanzierbarkeit. Dem CDU-Kandidaten macht zu schaffen, dass man ihm alle Mängel der derzeitigen Stadtpolitik ankreidet. Im Gegenzug hält er seinen Gegnern vor, den Zustand der Stadt schlecht zu reden.

Ernsthafte Prognosen wagt niemand, obwohl das Umfeld beider Kandidaten demonstrative Zuversicht an den Tag legt. Eine entscheidende Größe könnte die Wahlbeteiligung werden. Gesetzt den Fall, es gingen 50 Prozent der Trierer an die Urne, dann würde ein gutes Viertel der Wahlberechtigten ausreichen, um den Sieger zu stellen. Kein Wunder also, dass beide Seiten versuchen, ihr Stammwähler-Potenzial zu motivieren. In CDU-Kreisen macht man mit der Angst mobil, die im Land ohnehin gebeutelte Partei könne eine ihrer letzten Hochburgen verlieren. SPD und Grüne werben hingegen mit der Chance auf den Wechsel - und den guten Verbindungen von Kurt-Beck-Freund Jensen in die Landeshauptstadt.

Mit Image-Problemen haben beide Aspiranten zu kämpfen. Holkenbrink muss sich gegen das Bild des gemütlichen Teddybären wehren, den jeder mag, dem aber kaum jemand den harten OB-Job zutraut. Jensen sehen manche als Ober-Dialogisierer, der die Chef-Rolle in der Stadt gar nicht will. Wahlentscheidend dürfte letztlich sein, ob die Trierer nach der langen Ära Schröer eher auf einen Neubeginn setzen oder auf Altbekanntes. ek

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