Eine Rhapsodie der Sinne

TRIER. Klassik und Jazz – wie passt das zusammen? Gar nicht, würde ein Pessimist jetzt sagen. Doch das Orchester des Trierer Hindenburg-Gymnasiums (HGT) probierte den Spagat aus – und lehrte die ewigen Pessimisten, auch mal optimistisch zu sein.

Ein flüchtiger Blick ins Programm mag zunächst verwundern. Jazz- und Swing-Standards mit klassischer Orchesterbegleitung? Die rauchige Atmosphäre eines in rot-blaues Licht getauchten Jazzclubs scheint zunächst besser zum Repertoire des Abends zu passen als das elegante Ambiente eines klassischen Orchesters. Volle Reihen trotz ungewohntem Programm

"Ich wundere mich, dass es so voll ist heute Abend, denn das Programm hat ja durchaus etwas Intellektuelles", scherzte Andreas Wagner, Musiklehrer am HGT und Dirigent des Orchesters. Doch der Spagat des "sinfonischen Jazz" interessiert. Nicht nur die Leistung der hervorragenden Solisten, sondern auch das präzise Orchester samt Chor ließen den Abend zum vollen Erfolg werden. Den Auftakt machten dabei die Solisten Ye Young Hwang am Klavier und Anne-Sophie Biwer an der Klarinette. Alleine oder gemeinsam mit dem Orchester interpretierten sie George Gershwins Klassiker "Rhapsody in Blue". Auch wenn die Verbindung von klassischen Instrumenten und quirligem Jazz zunächst ungewohnt klingt, gewöhnt sich das Ohr alsbald an das neue Klangerlebnis. Zusammen mit dem Schulchor des HGT und der Solo-Sängerin Esther Agricola spielte sich das Orchester mit Gershwins Komposition "I got Rhythm" fröhlich-beschwingt in die Herzen der Zuhörer. Die Swing-Klassiker "As Time goes by", "Autumn leaves" und "Black Orpheus" verdankten ihren bleibenden Eindruck den Vokalsolistin. Eine Collage mit klassischen und modernen Variationen über das französische Volkslied "Ah vous dirai-je Maman" zeigte das Talent der 16-jährigen Ye Young Hwang im Wechselspiel mit der gut abgestimmten HGT-Jazz-Combo. Das HGT-Salonorchester, bestehend aus vier Violinen und Kontrabass, zeigte eindrucksvoll, dass Jazz auch in reiner Streicher-Besetzung nichts an seinem Charme verlieren muss. Die genialen Arrangements und die herausragende Leistung der Musiker Nele Klein, Till Klein, Dominik Mock, Markus Stolz und Lukas Götz bescherten anhaltenden Applaus. Neues Sound-System kam erstmals zum Einsatz

Lina Alirezania beeindruckte die Zuhörer mit virtuosem Blockflöten-Jazz - wer das vorurteilsbehaftete Instrument "Blockflöte" bisher als langweilig abtat, wurde an diesem Abend eines besseren belehrt. Scott Joplins Evergreen "The Entertainer" bildete den Abschluss des musikalischen Experiments. Auch in anderer Hinsicht stellte der Abend ein Experiment dar. Denn ein neu erworbenes und von der Elternspende des HGT finanziertes Sound-System kam zum ersten Mal zum Einsatz. Doch auch die beste Technik kann gute Musiker nicht ersetzen: "Zu Beginn des Schuljahres waren wir drei Tage lang in der Landesmusikakademie in Schloss Engers", sagte Andreas Wagner, "und dort haben wir hervorragende Probenbedingungen vorgefunden". Die Zuschauer waren begeistert von der Leistung der Nachwuchsmusiker: "Vor allem die ‚Rhapsody in Blue' und das Salonorchester haben mir gefallen", sagte Anne Croize aus Mertesdorf. "Es war toll, wie die Kinder und Jugendlichen bei der Sache waren", freute sich Karl Kirsten aus Trier. Für alle Zuhörer und Beteiligte war klar: Dieses Experiment ist vollends geglückt.

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