Eine schrecklich nette Familie

TRIER. Nach Gebrauchtwagenhändlern und Streifenpolizisten konnte man in den vergangenen Wochen im Privatfernsehen Tätowierern bei ihrer Arbeit über die Schulter sehen. Der Männer-Kanal DMAX stellte in einer Doku-Serie das Trierer Tätowier-Studio Lonien vor.

"Wir wurden angerufen, ob wir das machen wollten und haben recht schnell zugesagt", so der Inhaber Oliver Lonien. Die zu erwartende Werbung für das Geschäft habe den Ausschlag gegeben. Dass die Münchner Firma Blue Eyes, die für Doku-Soaps wie "Vorsicht Baustelle" und "Ärger im Revier" verantwortlich zeichnet, sich für das Trierer Nadel-Studio entschied, liegt zum einen an dessen exzellentem Ruf, zum anderen an der für diesen Berufszweig ungewöhnlichen Belegschaft. Neben Gasttätowierern und der Auszubildenden Eun-Sen arbeiten nur Familienangehörige in dem Unternehmen. Loniens jüngerer Bruder Daniel (31) ist ebenfalls Tattoo-Künstler, Mutter Antoinette empfängt die Kunden und Oma Katharina ist "die gute Seele des Studios". "Für mich ist es wichtig, dass Familienmitglieder dabei sind. Ich habe festgestellt, dass es im Leben die Menschen sind, auf die man sich verlassen kann", sagt der Chef. Die weiblichen Angehörigen treten in der Serie jedoch selten in Erscheinung. Oliver und Daniels Großmutter bringt einmal einen Käsekuchen mit, der von den Anwesenden vor laufender Kamera verzehrt wird. Das ist so aufregend, wie es sich anhört.Keine Panik in der Firma

Deshalb stehen die Arbeit der Tätowierer und Planungen für Veranstaltungen im Vordergrund der Handlung. Die Produzenten gaben sich Mühe, mit sprachlichen, musikalischen und optischen Mitteln Spannung zu erzeugen. Die Gelassenheit des Tattoo-Teams und der freundliche Umgang untereinander machen diese Bemühungen jedoch meist zunichte. Niemand gerät in die suggerierte Panik, weil Eun-Sen sich mal verspätet ("Keiner weiß, wo die Auszubildende steckt") oder die bestellten Werbezettel für eine Messe zu spät eintreffen könnten ("Werden die Flyer rechtzeitig da sein?"). Drei Monate dauerten die Dreharbeiten im Sommer. "Das war nicht immer einfach, da einige Szenen wiederholt werden mussten", sagt Daniel Lonien. Außerdem sei beim Tätowieren ein hohes Maß an Konzentration vonnöten. Schließlich muss jeder Stich exakt sitzen, damit der Adler am Ende nicht wie eine Taube aussieht. "Wir konnten kaum arbeiten, weil vier Mal die Woche gedreht wurde", klagt sein Bruder. Dafür kann sich der 35-Jährige inzwischen über Auftragsmangel nicht beschweren. Die Serie erbrachte den gewünschten Effekt und hat die ohnehin schon große Nachfrage an seinem Körperschmuck noch gesteigert. Das Gästebuch auf der Homepage ( www.lonien-online.de) ist voller Lobeshymnen auf die Doku-Reihe. Unbekannte, Freunde und Kollegen gratulieren zu dem Auftritt. Die erste Folge von "Tattoo - Eine Familie sticht zu" war in der Woche der Erstaustrahlung die erfolgreichste Serie bei DMAX. Noch vor so hübschen Titeln wie "Money Coach - Rette Dein Geld" und "Psychic Detectives - Hellseher im Dienst der Polizei". 90 000 Menschen sahen die Premiere über Kabel oder via Satellit. Mit 130 000 Zuschauern war die vierte Episode, in der die "Tattoo Night"-Party mit Models in Lackkleidern organisiert wurde, am beliebtesten. Der Unterschied zu Dokumentationen über eingangs erwähnte Berufsgruppen liegt darin, dass die Protagonisten von "Tattoo" sympathisch, seriös und vor allem authentisch rüber kommen. Keiner klopft große Sprüche oder versucht, sich möglichst cool zu verkaufen. Professionalität geht den Künstlern vor Show. Gelegentlich wirkt deren Alltag dadurch recht bieder, und die Dialoge klingen etwas fad. Das hat jedoch einen positiven Effekt. Denn auch wenn ein bisschen die Exotik dabei verloren geht, räumen Loniens mit Vorurteilen auf und vermitteln ein bisher kaum verbreitetes Bild ihres Berufes: Tätowieren ist ein Job wie (fast) jeder andere auch. Die Serie wird ab heute jeweils mittwochs, 21.15 Uhr, wiederholt.

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