Eine Zeit der Erleuchtung

Trier-Biewer · Das Wesen der Dinge erkennen, den Blick schärfen, die Form aus dem Material entwickeln, handwerkliche Basis: Dies sind Schlagworte der Ausbildung, die Keramik-Künstler Ulrich Lebenstedt von 1960 bis zum Diplom 1965 an der Werkkunstschule genossen hat. "Ein Glücksfall", sagt er.

 Ulrich Lebenstedt. TV-Foto: Cordula Fischer

Ulrich Lebenstedt. TV-Foto: Cordula Fischer

Trier-Biewer. "Die Zeit des Studiums war für mich eine Zeit der Erleuchtung", sagt Ulrich Lebenstedt. Eine Zeit, in der er das Konventionelle hinter sich gelassen habe. Lebenstedt stammt aus einem Künstlerhaushalt: Der Vater war Bildhauer und, wie sein Sohn es ausdrückt, "Künstler durch und durch". Ob die Familie etwas zu essen hatte, habe für den Vater keine Rolle gespielt. Schon als Kind in Kröv habe er davon geträumt, selbst künstlerisch zu arbeiten, erzählt er. Anstelle von Bilderbüchern habe er in den Kunstbänden des Vaters geblättert. Der habe allerdings sehr klassisch gearbeitet, sei "für Modernes nicht bereit" gewesen.
Aus der Provinz nach Trier zu kommen, sei ein "Glücksfall" gewesen, sagt Lebenstedt. Ebenso das Zusammentreffen mit Kommilitonen, "die innerlich bereit waren, Künste aller Art kennenzulernen". Das erste Mal in ein Klassikkonzert, das erste Mal nach Paris - für den jungen Mann aus Kröv begann eine Entwicklung, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Denn der 73-Jährige arbeitet vielfältig, hat unter anderem Kunst am Bau und keramische Arbeiten hergestellt und gemalt. Man müsse den eigenen Standpunkt immer wieder hinterfragen, betont er. So korrespondiert seine Sichtweise mit dem Motto des Jubiläumsfestes am Paulusplatz: "Ewige Unruhe".
Werkkunstschule - der Name sei Programm gewesen. "Man wollte die Handwerker, insbesondere die, die gestalterisch arbeiten, künstlerisch bilden." Ziel: Form und Funktion sollten einander ergänzen. So gab es nicht nur Hörsäle, sondern auch Werkstätten am Paulusplatz. Leben- stedt: "Erst wenn Hand und Kopf aus handwerklicher Tätigkeit und geistigem Horizont ihr Werk gestalten, entsteht die zwingende Optik, die Logik eines Dings, eines Kunstwerkes." Die Vorklasse hat Lebenstedt bei Peter Krisam, die Malerklasse bei Reinhard Heß besucht. "Das war eine prägende Zeit." Lebenstedt erinnert sich gut an die Worte seines Lehrers: "Was Sie nicht zeichnen können, können Sie nicht malen." Gelernt habe er, richtig hinzusehen, das Wesen der Dinge zu erkennen. Diese Grundlagen sind immer noch Basis seines Schaffens.
Sein Weg führte über die Arbeit in der Keramikindustrie, wo Entwürfe und Ausführung von Wandgestaltungen sowie Produktdesign zu seinen Aufgaben gehörten, in die Selbstständigkeit (ab 1990). Die Arbeit in der Industrie - kein Widerspruch, sondern Horizonterweiterung. Als vor zehn Jahren eine Ausstellung die Geschichte der Werkkunstschule aufarbeitete, sei das für ihn gewesen, "wie wenn man ins Haus der Großeltern kommt", sagt Lebenstedt. cofi

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