Geschäfte vor dem Aus Junge Kundin erklärt, warum der Einzelhandel so hart gegen das Internet verliert

Meinung | Trier · Zwei Frauen aus zwei Generationen erzählen von ihren Shopping-Vorlieben und es wird klar: Der Wandel der Innenstädte hat erst begonnen. Einkaufen im Fachgeschäft kann sogar abschreckend wirken.

Himmel und Menschen sind Gott sei Dank in Triers Innenstadt ein häufiger Anblick - wie dieses Archivfoto von Maria Himmelfahrt zeigt. Aber auch im Oberzentrum wird über die Zukunft des Geschäftslebens diskutiert.

Himmel und Menschen sind Gott sei Dank in Triers Innenstadt ein häufiger Anblick - wie dieses Archivfoto von Maria Himmelfahrt zeigt. Aber auch im Oberzentrum wird über die Zukunft des Geschäftslebens diskutiert.

Foto: Roland Morgen

Wenn es nach unserer Autorin Leila Zimmer geht, ist das Einkaufen im Laden absolut zweite Wahl. Sie erklärt uns, warum sie sich immer wieder fürs Online-Shopping entscheidet und den stationären Einzelhandel meidet:

Einkaufen: Junge Kundin erklärt, warum der Einzelhandel verliert
Foto: Esther Jansen

„Ich shoppe am liebsten mit dem Smartphone“

Wie ich am liebsten shoppe? Ganz klar, mit dem Smartphone. Das mache ich bereits seit der Schulzeit. Schließlich ist es um einiges bequemer, als in ein Geschäft zu gehen. Es gibt nichts Vergleichbares dazu, gemütlich von der Couch aus in den besten Modegeschäften der Welt zu stöbern, ohne das Haus verlassen zu müssen. Egal, ob es regnet, schneit oder die Sonne brennt, ich kann mir einfach von zu Hause aus neue Kleidung kaufen.

Die einzigen Nachteile: Ich kann die Kleidung nicht direkt anprobieren, sondern muss warten, bis das Paket vor meiner Tür liegt. Im schlimmsten Fall muss ich den Aufwand betreiben es zurück zu schicken, falls etwas nicht passt. Außerdem kann es vorkommen, dass der Paketbote seine Arbeit nicht richtig macht und das Päckchen irgendwo abstellt, wo es für jeden zugänglich ist. Dadurch hat mir bereits zweimal jemand meine Lieferungen geklaut.

Ich gebe zu, dass Warten, das Zurückschicken oder ein möglicher Diebstahl können lästig sein, aber es sind für mich keine Gründe, stattdessen in einem Laden einzukaufen.

Parkplätze und Gebühren — kein Thema beim Online-Shoppen

Denn online muss ich mich nicht durch überfüllte Einkaufszentren quälen, nach einem Parkplatz suchen oder überteuerte Parkgebühren zahlen. Dieser Komfort ist mir besonders wichtig, wenn ich einen hektischen Alltag habe und nur wenig Zeit zum Shoppen übrig bleibt.

Apropos Zeit, zwar bin ich noch jung, aber selbst ich habe mittlerweile gelernt, wie kostbar Zeit ist – besonders in dieser schnelllebigen Welt. Und das Online-Shopping spart mir enorm viel Zeit. Statt Stunden damit zu verbringen, von Geschäft zu Geschäft zu laufen und in Warteschlangen zu stehen, kann ich im Internet innerhalb weniger Minuten mehrere Shops durchsuchen. Viele Websites bieten zudem Filteroptionen an wie „Preis“, „Größe“, „Farbe“, „Marke“, „Material“, „Style“ und mehr. Damit kann ich gezielt nach dem suchen, was ich tatsächlich möchte und brauche.

Nicht zu vergessen, dass Online-Shopping weitaus mehr Auswahl bietet als die Offline-Option. Zumal die Geschäfte in der Stadt oftmals ähnliche, wenn nicht sogar die gleichen Waren anbieten. Auch Nischenprodukte, die in lokalen Geschäften schwer zu finden sind, sind online oft nur ein paar Klicks entfernt. Die Auswahl im Internet ist einfach überwältigend – und gegebenenfalls billiger. Warum?

Die Preise sind unschlagbar beim Online-Shoppen

Viele Online-Händler bieten Rabatte und Sonderaktionen an, die in den Läden und Boutiquen der Innenstadt selten zu finden sind – von den zahlreichen Websites, die Gutscheincodes anbieten mal abgesehen. Mit all diesen Möglichkeiten kann ich wertvolles Geld sparen und das ist besonders in jungen Jahren von Vorteil.

Ich bin mir nicht sicher, ob es tatsächlich an meinem Millennial-Alter liegt, oder einfach an mir, aber auf eine persönliche Modeberatung kann ich gerne verzichten. Ich zweifle keineswegs an deren Kompetenzen, aber ich fühle mich dann dazu gedrängt, das zu mögen und zu kaufen, was sie mir hinhalten.

Umso schwerer fällt es mir einfach nein zu sagen. Daher meide ich lieber solche Situationen und greife zum Smartphone. Eine professionelle Beratung gibt es dort zwar nicht, aber dafür unzählige Mode-Inspirationen, an denen ich mich orientieren kann. Was es dort auch nicht gibt: Menschenmassen.

Ich habe zwar nichts gegen Menschenmassen, aber in überfüllten Geschäften einzukaufen ist nicht meine erste Wahl, wenn ich mir entspannt neue Kleidung kaufen möchte. Im Gegenteil, es kann sehr stressig sein, besonders während der Feiertage oder in der Sale-Saison. Online habe ich diesen Stress nicht.

Kein Gedränge, keine langen Warteschlangen an der Kasse oder vor der Umkleidekabine und keine genervten Verkäufer. Stattdessen kann ich in aller Ruhe und ganz entspannt von zu Hause aus einkaufen – rund um die Uhr. Letzteres ist für mich einer der wichtigsten Gründe, mir über das Internet neue Klamotten zu suchen.

Ich shoppe, wann es mir passt – am Abend und in der Nacht

Egal ob spät in der Nacht oder früh am Morgen, ich kann online zu jeder Zeit shoppen. Diese Flexibilität ist besonders praktisch, wenn ich während der normalen Geschäftszeiten arbeite oder andere Termine habe. Diese Möglichkeit gibt mir die Freiheit, meine Einkäufe dann zu erledigen, wenn es mir am besten passt.

Flexibilität, Bequemlichkeit, Zeitersparnis, größere Auswahl und bessere Preise machen das Online-Shopping zur attraktiven Alternative zum traditionellen Einkauf in Geschäften. Natürlich gibt es auch Aspekte des traditionellen Shoppings, die ihren Charme haben – wie das unmittelbare Anprobieren von Kleidung. Dennoch unternehme ich meine Einkäufe lieber online. Das Internet hat die Art und Weise, wie wir einkaufen, revolutioniert und macht mein Leben einfacher und angenehmer.

Zudem haben die Entwicklungen der vergangenen Jahre gezeigt, dass digitales Shoppen nicht nur ein Trend, sondern eine zukunftsweisende Methode ist, die unser Einkaufsverhalten sicher weiterhin verändern wird.

Anders sehe ich das in Bezug auf Essen. Ich Besuche sehr gerne die Innenstadt, um mich in ein Restaurant zu setzen und etwas zu essen. Das breitet mir deutlich mehr Freude, als mir per App ein Gericht liefern zu lassen. Aber für mich bleibt klar: Online-Shopping ist die Zukunft des Einkaufens.

Ganz anders sieht das unsere Autorin Birgit Markwitan. Der Einkauf im Fachgeschäft ist es, was sie will. Sie erzählt, warum das Internet in mancher Hinsicht einfach nicht mithalten kann, auch wenn im Einzelhandel nicht alles perfekt ist:

Einkaufen: Junge Kundin erklärt, warum der Einzelhandel verliert
Foto: Esther Jansen

Stylt die Umkleidekabinen und sorgt für Sitzecken!

Wenn junge Leute ihren Laden betreten, möchten sie nicht angesprochen werden, erzählt eine Trierer Geschäftsfrau. Sie lässt sie in Ruhe schauen. Bei den älteren sei das anders. Sie schäumt ein wenig, fühlt ihre und die harte Arbeit ihrer Kollegen in den Inhaber geführten Läden Triers von den Jungen nicht gewürdigt, die dann doch nichts kauften und sich online einkleiden. Während sie mir eine Hose zum Anprobieren reicht, sprechen wir über ihre Erfahrungen, über Einkaufsverhalten und Marken. Sie weiß, das interessiert mich, bei anderen Kundinnen steigt sie sicher locker in andere Themen ein.

Für eine kurze Zeit die Hauptrolle im Geschäft spielen

„Ist diese Größe nicht zu klein?“ „Nein, die müsste dir passen.“ Sie hat einen Blick für Passformen und Proportionen, weiß, wie ihre Ware ausfällt, welcher Stoff sich „aufplustert“, kennt die vermeintlichen Problemstellen ihrer Kundinnen und tut den Teufel, sie anzusprechen. Ich mag es, von ihr beraten zu werden. Sie kann es einfach. Beim Shoppen geht es um Eskapismus, ein gutes Gefühl, darum, für einen Moment, die Hauptperson zu sein, etwas Schöneres zu bekommen, als dass, was zuhause hängt. Positive Verstärker, gute Präsentation, persönliche Note – damit der Kunde dem Kaufanreiz erliegt und glücklicher als vorher mit einer Einkaufstüte den Laden verlässt, muss der psychologische Cocktail stimmen. Marketing-Experten wissen das besser als ich, „die Zielgruppe“.

„Das ist nichts für dich“, sagt die Beraterin ab und zu. Unzufriedene Kunden zahlen sich nicht aus. Sie bringt passende Oberteile, damit die Hose besser wirkt, macht Kombinationsvorschläge und zieht öfter etwas hervor, auf dass ich nie geachtet hätte. Tunnelblick. Der Griff geht immer zum Altbewährten, den immer gleichen Farben und Formen. Das kennt jeder. Manchmal funktioniert dieses schöne Spiel nicht. Vielleicht ist das Teil zu gewagt, der Preis zu hoch oder es ist einfach nicht der richtige Tag.

Stationär shoppen ist ein nachhaltigeres Einkaufserlebnis

Wenn es auch nicht so wirkt, shoppen ist nicht mein Lebenselixier. Ich möchte mir etwas Neues gönnen, aber nicht sinnlos konsumieren, beobachte gerne, wie sich die Mode entwickelt. Es geht mir wie vielen Deutschen, die laut einer Greenpeace-Umfrage die Zahl ihrer Kleidungsstücke in den letzten Jahren reduziert haben. Es wird weniger gekauft und Vintage ist angesagt. Viktoria und David Beckham haben sich zum 25. Hochzeitstag im Juli noch einmal in ihren Kleidern von einst fotografieren lassen. Aber der Schein trügt. Wir sind von einem umweltbewussten Kleiderkonsum viel weiter entfernt als Elon Musk von einer erfolgreichen Mars-Mission. Ich wundere mich immer wieder, warum die Kleiderindustrie und unsere Rolle als Verbraucher so selten in der Umweltdebatte auftauchen. Schätzungen zufolge verursacht die Modebranche zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen – mehr als die internationale Luft- und Schifffahrt zusammen (Quelle: Europäisches Parlament).

Das hohe Lied auf die gute Beratung im Geschäft

Schon oft habe ich jungen Menschen von guter Beratung vorgeschwärmt, wollte sie dazu ermuntern, es auszuprobieren – aus purem Egoismus. Ich möchte, dass der stationäre Handel vielfältig bleibt und behaupte, etwas „live“ Erstandenes wird stolzer und länger getragen, als ein vor der Tür abgelegtes in Plastikfolie eingeschweißtes Kleidungsstück aus China, für das der abgehetzte Paketbote zwanzig mal klingelt. Einen besonderen Service zu bieten, darin liegt laut Experten eine Überlebenschance der Geschäfte. Dazu gehören der Stuhl und das Getränk für den wartenden Partner und die Modenschau für Stammkunden samt Video. Eine Kollegin erzählte, dass sie auf ihrer New-York-Reise auf Umkleidekabinen gestoßen sei, in denen sie verschiedene Lichtarten habe wählen können. Auf Neonröhren-Frust in Umkleidekabine können auch Boomer sehr gut verzichten.

Nicht nur junge Leute fühlen sich eingeengt, werden klamm, wenn sie im Laden angesprochen werden und kaufen nach schlechten Erfahrungen doch lieber wieder anonym im Fast-Fashion-Laden oder online. Ungeschicktes Personal, das gibt es natürlich und zwischen lästigem Überreden und links liegen lassen, ist alles drin – da gehen einem schon die Argumente aus. Aber: „Kontaktloses“ Einkaufen bleibt immer nur Mittel zum Zweck, ist kein Verwöhnprogramm mit spontanen Begegnungen, unverhofften optischen (An-)Reizen und anschließendem Essengehen.

Beim stationären Shoppen gibt es Punktabzug bei der Auswahl

Geht es um die Markenauswahl, bringe ich sogar großes Verständnis für das Online-Shoppen auf. Wer in Trier den gleichen Kleidern in den gleichen Farben derselben Marken in vielen Geschäften begegnet, denkt, liebe Geschäftsleute, warum ordert ihr so? Wollt ihr den Online-Trend beschleunigen?

Genug gejammert. Trier ist noch gut aufgestellt und es geht voran. Das leer stehende Karstadt-Gebäude hat einen Investor und eine Zukunft. Wer weiß, was sich noch alles tut? Vielleicht bleiben individuelle Kleider-Läden mit passendem Onlineservice oder erleben sogar eine Renaissance. Das wäre fantastisch. Stylt die Umkleidekabinen und sorgt für Sitzecken!