Endstation Treppenhaus

TRIER. Laufend stößt Lydia Schäffer an Grenzen, die ihr die Teilnahme am öffentlichen Leben versagen. Sie ist Rollstuhlfahrerin und Island-Fan. Auf den Besuch einer Veranstaltung im ersten Stockwerk des Hindenburg-Gymnasiums musste sie jüngst unfreiwillig verzichten.

 Diese Treppe stellt für die Rollstuhlfahrerin Lydia Schäffer eine unüberwindbare Hürde dar.Foto: Katja Krämer

Diese Treppe stellt für die Rollstuhlfahrerin Lydia Schäffer eine unüberwindbare Hürde dar.Foto: Katja Krämer

Silvester 1983: Ein Verkehrsunfall verändert das Leben von Lydia Schäffer. Die Diagnose: Querschnittslähmung. "Ein Schicksal, dass jeden Menschen an jedem Tag treffen kann", meint die 38jährige Frau, die seit jenem Tag auf den Rollstuhl angewiesen ist.Lydia Schäffer lebt in einem barrierefreien Einfamilienhaus und arbeitet als Verwaltungswirtin. Doch Barrieren in öffentlichen Räumen bremsen die Rollstuhlfahrerin häufig aus.Als Vulkan- und Islandfan freute sie sich auf den Dia-Vortrag von Kai-Uwe Küchler im Hindenburg-Gymnasium. Doch für die junge Frau endete der lang ersehnte Vortragsabend an der unüberwindbaren Treppe zum ersten Stock des Gymnasiums. Ein geplanter Aufzug wurde beim Schulumbau 1997 nicht installiert. Er ist laut Ralf Frühauf vom städtischen Presseamt den Finanzmitteln zum Opfer gefallen. Das Gesetz ließ einen Abwägungsspielraum zu, da es sich um eine Baumaßnahme geringen Ausmaßes handelte. Wie viele Veranstalter hatte Kai-Uwe Küchler die Aula des HGT beim Schulverwaltungsamt für seinen Dia-Vortrag gemietet. "Der verkehrsgünstig gelegene Veranstaltungsort ist sehr beliebt", weiß der Rathaus-Pressesprecher. Doch für Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe ist er unerreichbar. "Es stimmt, die Aula ist für Behinderte wirklich unfreundlich", bemerkte auch Kai-Uwe Küchler, während Lydia Schäffer hilflos vor den Treppen wartete. Die Frau hoch zu tragen, erachtete Küchler als zu gefährlich, "da es keine Fluchtwege gibt".Die vorbei schreitenden Besucher bat Lydia Schäffer nicht um Hilfe. "Es ist ein beängstigendes und deprimierendes Gefühl, fremde Menschen anzusprechen und sich berühren und tragen zu lassen", meint die Rollstuhlfahrerin."Öffentliche Veranstaltungen müssen für behinderte Menschen ohne fremde Hilfe erreichbar sein oder in Räume verlegt werden, die auch mit Rollstuhl erreichbar sind", fordern Lydia Schäffer und das Behinderten Forum Trier. "Ein Paradebeispiel für Diskriminierung", empört sich Schäffer an diesem Abend, "steht doch in Paragraph 3 des Landesgleichstellungsgesetzes, dass behinderte gegenüber nicht behinderten Menschen nicht benachteiligt werden dürfen". Schäffer und das Behinderten Forum Trier fordern einen Behindertenbeauftragten, der sich für ihre Belange einsetzt. "Wir haben es satt, jedem Projekt hinterher rennen zu müssen und zu fragen, ob sie auch an uns gedacht haben", kritisieren Stimmen aus dem Behinderten Forum Trier.Ralf Frühauf bedauert den Vorfall sehr und räumt ein, dass zukünftig im Mietvertrag stehen wird, dass die Veranstalter zwei starke Männer bereitstellen müssen, die behinderte Menschen in den ersten Stock tragen. Auch das so genannte Abibac anzulegen, eine Besonderheit des HGT, ist für junge Rollstuhlfahrer nicht möglich. Denn laut Frühauf werden sie an die anderen, behinderten-gerechte Trierer Gymnasien verwiesen. Ein vergnüglich erwarteter Abend endete für Lydia Schäffer mit großer Wut: "Wieder einmal ausgegrenzt."Während die Veranstaltungsbesucher die Bilder von Island bestaunen, macht sich Lydia Schäffer enttäuscht auf den Heimweg. Immer wieder zitiert sie Richard von Weizsäcker: "Nicht behindert zu sein, ist wahrlich kein Verdienst, sondern ein Geschenk, das jedem von uns jederzeit genommen werden kann." Ihre Meinung in Kürze?Mail an echo@volksfreund.de

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