Trierer Originale Das Vermächtnis des Trierers Michel Flesch

Trier/Newel-Besslich · Franz Michael Pieper hat Mundartgedichte seines Großvaters veröffentlicht. Aber das Buch ist nicht auschließlich heimatlich-heiter.

 Hat seinem Großvater mit der Veröffentlichung des Buchs „Ons kromm Musel – Trierer Mundartgedichte“ ein Denkmal gesetzt: Franz Michael Pieper.

Hat seinem Großvater mit der Veröffentlichung des Buchs „Ons kromm Musel – Trierer Mundartgedichte“ ein Denkmal gesetzt: Franz Michael Pieper.

Foto: Roland Morgen

„Welchem Trierer ist sein Name nicht bekannt?“, lautete die rhetorische Frage im Nachruf auf Michel Flesch, veröffentlicht im Jahrbuch 1974 des Vereins Trierisch. „Ein Freund unserer schönen alten Stadt und liebenswürdiger, poetischer Gestalter unserer gemütvollen Mundart“, den man „nicht vergessen“ werde.

Beim Verein Trierisch ist Flesch auch 45 Jahre nach seinem Tod tatsächlich nicht vergessen. Bei Mundartstammtischen gehören seine Gedichte weiterhin zu den Evergreens. „Aber damit hat es sich dann leider auch schon“, bedauert Enkel Franz Michael Pieper (70). Seine Mutter Anneliese (1926 bis 2017) war ältestes der vier Kinder von Michel Flesch und seiner Frau Katharina, geborene Schreier.

Und weil es „einfach nicht sein darf, dass so ein guter und kreativer Mensch und sein Werk in Vergessenheit geraten“, hat Pieper neben Fotografieren und Modelleisenbahn seit einigen Jahren noch ein drittes Steckenpferd: „Die Erinnerung an meinen Opa bewahren“ – getreu dem Motto „Dem Flesche Michel sein Vermächtnis. gehört in uns’ Gedächtnis“. Und wenn er es nicht tue, dann könne das niemand mehr.

Im Selbstverlag hat der 70-Jährige das Buch „Ons kromm Musel – Trierer Mundartgedichte“ veröffentlicht. Im Zusammenstellen und Bearbeiten einer „anfangs unübersichtlichen Lose-Blätter-Sammlung  stecken anderthalb Jahre Arbeit drin, die ich aber gerne auf mich genommen habe. Michel Flesch hat’s verdient.“

Auch habe er persönlich dem Großvater viel zu verdanken: „Meine schönsten Kindheits- und Jugenderinnerungen ranken sich um ihn und sein Haus in der Römerstraße in Pallien.“

Flesch war gelernter Maurer und Werber; später arbeitete er als Werber und Kassierer beim Trierischen Volksfreund – was ihm beruflich zum Verhängnis wurde. Für den kooperationsunwilligen Verleger Nikolaus Koch zu arbeiten, machte ihn bei den Nazis unbeliebt. Er wurde verhaftet, und während er im Gefängnis schmorte, durchsuchte die Geheime Staatspolizei die Wohnung nach „Beweismaterial“ und nahm alle seine Manuskripte mit – Theaterstücke, Gedichte, Ballade, Prologe. Fast all das, was der Mitgründer und langjährige Leiter der Laienspielgruppe des Männergesangvereins Pallien bis dahin zu Papier gebracht hatte, war unwiederbringlich verloren.

Nach jahrelanger Erwerbslosigkeit bekam Flesch 1939 einen Job bei der Reichsbahn, wurde Schrankenwärter und 1944 nach Frankreich abkommandiert, wo er in achtmonatige Kriegsgefangenschaft geriet – eine Zeit, die sich in Piepers Buch ebenfalls widerspiegelt. Das letzte Fünftel des 244-Seiten-Werks besteht aus Fleschs in Hochdeutsch notierten Erlebnissen und Gedichten. Die lässt der Enkel unkommentiert, „da sie in ihrer Eindringlichkeit für sich sprechen“, wohingegen der Trierer Mundart-Teil an einigen Stellen erläuterungsbedürftig sei: „Deshalb gibt es manche Fußnote und Übersetzung.“ Obwohl viele der 90 Gedichte schon 70 Jahre und älter sind, seien sie auch heute durchaus noch aktuell. Das Gedicht „Baurebrud“ etwa handelt von einem nach wenigen Bissen weggeworfen Butterbrot – „Ausdruck von mangelnder Ehrfurcht.“

Flesch war es nicht vergönnt, sich bis in ein hohes Alter hinein als Poet seinem geliebten Trier und der Mosel zu widmen. Als Bundesbahn-Stellwerksmeister wurde er wegen eines Herzfehlers mit 62 pensioniert. Nach längerer Krankheit  starb er 71-jährig als Witwer im Haus Pieper in der Thebäerstraße in Trier-Nord, wo Enkel Franz Michael später den aus Hotel-Restaurant und Metzgerei bestehenden Familienbetrieb leitete. Daher kennen viele Trierer den als Fleischer seinerzeit jüngsten rheinland-pfälzischen Handwerksmeister (mit 21 die Prüfung bestanden). Pieper ist aber auch bekannt durch diverse Ehrenämter im Handwerk, die er jahrzehntelang innehatte. Heute lebt er im Neweler Ortsteil Beßlich – und ist aktuell damit beschäftigt, das literarische Vermächtnis des Großvaters unters Volk zu bringen. Weil die Erstauflage von „Ons kromm Musel“ (150 Exemplare) alleine durch Mund-zu-Mund-Propaganda ruckzuck weg war, hat er weitere 100 Bücher nachdrucken lassen. Nun denkt er daran, Michel Fleschs Gedichte in Lesungen vorzustellen.

„Gute Idee!“, findet Udo Fleck, der Vorsitzende des Vereins Trierisch. Zur öffentlichem Präsentation des Neuen Trierischen Jahrbuchs 2019 am Sonntag, 24. November, 17 Uhr, im Rokokosal des Kurfürstlichen Palais haben er und Vize Udo Köhler ihn zu einem kurzen Vortrag eingeladen. Pieper hat nun die Qual der Wahl, welche drei bis vier Gedichte er zum Programm beisteuert: „Ons kromm Musel’ und ,Ons Trier’ werden aber bestimmt dabei sein.“

 Heimat- und Mundartdichter Michael Flesch (1902-1974).

Heimat- und Mundartdichter Michael Flesch (1902-1974).

Foto: Franz Pieper/Privat

„Ons kromm Musel – Trierer Mundartgedichte“ (Selbstverlag Franz Michael Pieper, 244 Seiten) ist für 10 Euro erhältlich in Trier im Bücherladen (Simeonstraße 22), im Hotel Pieper (Thebäerstraße 39) sowie bei Franz Michael Pieper, Beßlicher Straße 28, Newel-Beßlich, E-Mail: f.m.pieper@t-online.de, Telefon 0651/61297.

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