Volksfreund-Serie Er prickelt und zischschschsch...t

Trier · Eine Hochzeit ohne Sekt ist wie ein Fußballspiel ohne Tore. Schaumwein kaufen viele Deutsche am liebsten im Discounter oder Supermarkt. Für die Schloss Wachenheim AG in Trier, einen der größten Schaum- und Perlweinhersteller Deutschlands, geht es daher täglich nur um eins.

 53 Millionen Liter Wein lagern in den Produktionshallen der Trierer Wachenheim AG. Die Tanks dafür sind bis zu 18 Meter hoch. TV-Foto: Friedemann Vetter

53 Millionen Liter Wein lagern in den Produktionshallen der Trierer Wachenheim AG. Die Tanks dafür sind bis zu 18 Meter hoch. TV-Foto: Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter ("TV-Upload Vetter"

Trier Plop. Die Flasche ist offen. Mit einem leisen Zischen perlt der Sekt in die Gläser. Er prickelt. So wie es sich gehört. Oliver und Dirk Gloden probieren. Fachmännisch. Ohne Hast lassen sie das Getränk über den Gaumen gleiten. Schmeckt der Sekt? Eindeutiges Ja. Der Sprecher des Vorstandes und der Technische Direktor der Schloss Wachenheim AG sind zufrieden. Die vielen Qualitätsproben während des Herstellungsprozesses haben sich ausgezahlt. Bei den jährlich circa 70 Millionen Flaschen Sekt, die im Trie rer Industriegebiet Euren produziert werden, ist das eine ständige logistische und technische Herausforderung. Hinzu kommen 14 Millionen Flaschen sogenannter alkoholfreier Sekt, elf Millionen Flaschen weinhaltige Getränke und sechs Millionen Flaschen Secco pro Jahr. Mehr als 50 Millionen Liter Getränke sind das insgesamt. Eine wahrhaft voluminöse Menge. Dabei reicht es heute nicht, "nur" ordentlichen Sekt auf den Markt zu bringen. Der Verdrängungswettbewerb unter den großen Herstellern ist groß. Und dass, obwohl die Deutschen sogar "Sektweltmeister" sind. 300 Millionen Liter haben sie 2016 konsumiert. "Die Sektnachfrage ist im vergangenen Jahr um 0,7 Prozent gestiegen, nachdem die Nachfrage in den Jahren zuvor gefallen war", sagt Vorstandssprecher Oliver Gloden. "Etwas kompensiert wurde das durch die Hugo-Welle. Aber auch die flaut aktuell wieder ab." Was tun? In Zeiten veganer, vegetarischer, gluten- und laktosefreier Ernährung geht der Trend zu alkoholfreien Getränken. "Die Leute achten insgesamt mehr auf den Alkoholgehalt, auch bei Wein", erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut. "Alkoholfrei ist da eine wunderbare Alternative bei Geschäftsessen oder Geburtstagsfeiern. Und im Gegensatz zu Wein schmeckt man bei der alkoholfreien Sektvariante nicht so sehr, dass eben der Alkohol fehlt."
Stimmt! Daher bewirbt Wachenheim zurzeit die Marke Light live besonders intensiv - ein schäumendes Getränk aus alkoholfreiem Wein, heißt es auf dem Etikett. Denn "Sekt kann nicht entalkoholisiert werden, nur Wein", erklärt der Technische Direktor Dirk Gloden die etwas umständliche Bezeichnung, die dem deutschen Weingesetz geschuldet ist und zu so kreativen Beschreibungen wie "aromatisiertes, schäumendes Getränk auf Basis alkoholfreien Weines" führt. "Alle alkoholfreien Getränke werden in Trier produziert", ergänzt Gloden.
Die Trierer Niederlassung repräsentiert ein Drittel des Absatzes und Umsatzes des Konzerns, der außerdem Standorte in Wachenheim, Frankreich und Ostmitteleuropa unterhält. Ganz schöne Dimensionen. Riesig wie die Produktionshallen der Kellerei, wo der Blick automatisch nach oben geht. Dorthin, wo 18 Meter hohe Tanks bis an die Decke reichen, die außerdem acht Bar Druck aushalten. 250 Behälter in unterschiedlichen Größen fassen 53 Millionen Liter Wein. Der kommt aus Italien, Spanien und teilweise Frankreich. "Da gibt es große Weinanbaugebiete und entsprechende Mengen, die für uns in Deutschland so nicht zur Verfügung stehen", erklärt Dirk Gloden. Schließlich muss die Qualität Jahr für Jahr gleich bleiben.
Zwei Kellermeister und zehn Mitarbeiter, die zum Teil die Ausbildung zum Weintechnologen absolviert haben, sorgen dafür. Mit insgesamt 200 Mitarbeitern in Produktion und Verwaltung, 20 Azubis inklusive, ist Wachenheim so das größte Sekt herstellende Unternehmen an der Mosel - bei den Deutschen Sektherstellern nach Rotkäppchen/Mumm und Henkel steht es im Ranking auf Platz drei. Apropos Qualität. Der Wein aus dem Süden darf keine Mängel haben, dumpf schmecken oder fehlerhaft sein. "Wir erhalten von den Kellereien Proben. Die werden begutachtet, verkostet und analytisch geprüft", erzählt Dirk Gloden. Dafür steht ein eigenes Labor im Betrieb zur Verfügung. "Wenn die Tanklastwagen auf den Hof fahren, ziehen wir wieder Proben." Das geht so weiter bis zum Ende der Produktion, bis die Flaschen auf den Paletten stehen und fertig zum Verladen sind.
Die Fahrt geht in Discounter, wo die Deutschen ihren Sekt am liebsten kaufen, oder in Supermärkte. 17 Prozent der Wachenheimer Sekte werden in mehr als 30 Länder exportiert, nach Österreich, Skandinavien, in die Schweiz oder Großbritannien.
Um die Nachfrage zu stillen, laufen durchschnittlich 460 000 Flaschen täglich vom Band. Drei Produktionslinien mäandern durch die riesige Halle, wo alle Flaschen gespült, gefüllt und verschlossen werden. Automatisch, aber lautstark.
In dem kleinen Probierraum öffnen Dirk und Oliver Gloden eine Flasche Faber-Sekt. Der Inhalt ist unzählige Male analysiert und verkostet worden. Jetzt darf er in den Verkauf. "In der Aktion kostet dieser Sekt 2,22 Euro", sagt Oliver Gloden. "Der normale Regalpreis liegt bei 2,99 bis 3,29 Euro." Zieht man von diesen Preisen 1,02 Euro Sektsteuer plus Mehrwertsteuer ab und subtrahiert Verpackung, Werbung, Transport, Handelsmarge, Produktion und Grundwein, bleibt pro Flasche ein magerer Gewinn.
Gut und günstig, so mag es der Deutsche am liebsten. Nur neun Millionen Liter Winzersekt gingen 2016 über die Theke. "Das sind drei Prozent vom Gesamtvolumen", informiert Ernst Büscher und schränkt ein: "Das liegt aber auch an der verfügbaren Menge." Da der Handel entsprechende Verdienstspannen braucht, greift er eben vorzugsweise auf die Sekte der großen Hersteller zurück. Oliver und Dirk Gloden freut das.
Ein Video zum Thema finden Sie unter <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/video" text="www.volksfreund.de/video" class="more"%>
Extra: LEXIKON DES WEINES: S WIE SEKT ODER SECCO


Hinter dem Begriff Secco, der von seinem italienischen Verwandten, dem Prosecco, abgeleitet ist, verbirgt sich Wein, dem Kohlensäure zugesetzt wurde. Die gesetzliche Bezeichnung lautet Perlwein mit zugesetzter Kohlensäure. Beim Sekt stammt die aus einer zweiten Gärung. Seccos weisen nur 1 bis 2,5 bar Druck auf, während Sekt mindestens 3 und bis zu 6 bar Kohlensäuredruck enthält. Die Verschlüsse der Seccos dürfen nicht wie beim Schaumwein durch einen Drahtkorb (Agraffe) fixiert werden. Sie sind meist mit Drehverschluss oder einem Korken mit einer sogenannten Schrumpffolie verschlossen. Für Perlweine muss der Winzer keine Sektsteuer abführen. Sie können deshalb auch günstiger angeboten werden. Die Sektsteuer beträgt 1,02 Euro pro Flasche Sekt plus 19 Prozent Mehrwehrsteuer. Die sogenannte Schaumweinsteuer wurde 1902 von Kaiser Wilhelm II. eingeführt zur Finanzierung des Kaiser-Wilhelm-Kanals (heute Nord Ostsee-Kanal) und der kaiserlichen Kriegsflotte. Sie betrug damals 50 Pfennig. Heute spült die Sektsteuer mehr als 400 Millionen Euro in die Kasse des Bundes.Extra: TV-SERIE: DIE WEINSTADT TRIER


Wie viel Sekt produzieren die großen Kellereien der Stadt? Was hat die Trierer Weinkönigin Ninorta in ihrem Amtsjahr erlebt? Wo sitzt die kleinste Winzergenossenschaft Deutschlands? Was verbirgt sich hinter einer Seg&Wine Tour? Und warum ist der Weinstand auf dem Hauptmarkt so beliebt? Antworten auf diese Fragen finden Sie in einer mehrteiligen Serie des Trierischen Volksfreunds in den nächsten drei Wochen rund um das Thema Weinstadt Trier. Aufmerksam lesen lohnt sich: Am Ende gibt es ein Weinrätsel rund um das Thema - und attraktive Preise.

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