Erdgas-Zeit auf Mariahof geht zu Ende

MARIAHOF. Erdgas oder Fernwärme - oder beides? Der um die Energieversorgung auf Mariahof entbrannte Streit ist inzwischen entschieden.

Ein ungewöhnlich kühler Juni-Abend im Jahr 1996 neigt sich dem Ende entgegen. In ihrem gerade frisch bezogenen Heim auf Mariahof sitzt die Familie Albrecht, in Decken eingewickelt, im Wohnzimmer. Sie frieren und werden deshalb ihren ersten Abend auf Mariahof nicht vergessen, denn sie werden mit dem Unikum des Stadtteils vertraut: Der ganze Stadtteil wird von einer einzigen "Feuerstelle", einem Heizwerk, mit Fernwärme versorgt, das somit auch für die gute Luft auf Mariahof verantwortlich ist. Doch der ungemütliche Abend ist schnell vergessen. Denn die Familie lernt die zweite Mariahofer Besonderheit in punkto Energieversorgung schätzen. Neben dem Fernwärmerohrsystem gibt es zusätzlich ein Erdgasrohrsystem. Mit Gas wird daher bei Familie Albrecht das Wasser warm gemacht, und mit Gas zaubert die an der Uni studierende Mutter im Nu das Mittagessen für die drei Kinder. Der Schreck für die Albrechts kommt eines schönen Morgens bei der Zeitungslektüre. Das Erdgas auf Mariahof werde stillgelegt, stand da schwarz auf weiß ( TV vom 16. April 2003). Sanierung der Gasleitungen lohnt nicht

Die 40 Jahre alten, inzwischen maroden Leitungen zu sanieren lohne sich nicht, so der Betreiber, die Stadtwerke Trier. Statt der kuriosen Doppelversorgung soll künftig alle Energie auf Mariahof in dem 2000 aufwändig sanierten Heizwerk hergestellt werden. Rein wirtschaftliche Gründe hätten die Stadtwerke dazu bewogen, sich für das Heizwerk und gegen die Sanierung der Erdgasrohre zu entscheiden, erklärt Stadtwerke-Pressesprecher Andreas Wagner. Die Energie aus dem Heizwerk sei zudem "noch ökologischer" als Erdgas und "hoch effizient", so Wagner weiter. Mit anderen Mariahofern stieg Jutta Albrecht auf die Barrikaden. "Ich mache nicht gerne Rückschritte im Leben", erklärt sie ihr Festhalten am Erdgas. Mit ihrer Kritik an der Fernwärme macht sie sich jedoch wenig Freunde. Denn viele "Ur-Einwohner" sind auf das Heizwerk als moderne Errungenschaft stolz. Es ist für sie fast so etwas wie ein "Nationaldenkmal". Dennoch trägt der Protest kurzzeitig Früchte: Die Stadtwerke haben bis heute die Erdgas-Leitungen nicht gekappt. Jedoch investieren sie nicht mehr in das alte Gas-Leitungsnetz. Das bekommt die Familie Hohaus aus der Kaiser-Augustus-Straße zu spüren. Sie stellte vor Jahren auf Fernwärme um, wollte nun aber wieder Erdgas beziehen. Die Stadtwerke liefern aber nicht mehr. Derzeit werden die Mitarbeiter der Stadtwerke bei den letzten Erdgas-Kunden vorstellig und versuchen, die Gas-Anhänger zum Übertreten zur Fernwärme zu bewegen. Die Stadtwerke versprechen, bei den durch die Umstellung auf Strom entstehenden Kosten für Elektroherd und Durchlauferhitzer finanziell unter die Arme zu greifen. "Von 159 verbliebenen Erdgaskunden werden im März 130 auf die elektrische Wärme-Erzeugung umgestiegen sein", berichtet Wagner. Nach Auskunft der Stadtwerke werden von 2004 bis voraussichtlich 2008 die Fernwärmeleitungen erneuert. Die Zeit, in der auf Mariahof mit Gas gekocht wurde, neigt sich unweigerlich dem Ende zu. "Die Sache ist gegessen", meint auch Ortsvorsteherin Maria Marx. Doch in der vom Heizwerk nur einen Steinschlag entfernten Kaiser-Augustus-Straße zeigt man sich weiter unnachgiebig. Ihre Straße solle zumindest noch mit Erdgas beliefert werden, wünscht sich Jutta Albrecht. Und wenn nicht? "Dann schlepp ich eben meine eigenen Gasflaschen", sagt die Erdgas-Anhängerin.

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