Erinnerung an den Bombenangriff

EHRANG. 60 Jahre ist es her, dass bei einem Bombenangriff auf ein Privathaus in Ehrang 16 Menschen den Tod fanden. Eine Feierstunde mit Zeitzeugen und der Enthüllung einer Gedenktafel erinnert an die schrecklichen Erlebnisse.

"In diesen Tagen wird viel von Auschwitz geredet", sagt die 74-jährige Alvere Hache-Süß nachdenklich. Und sie habe sich im Stillen gefragt: "Wer denkt an meine Toten?" Die Antwort gab- für sie völlig überraschend - der Verein Ehranger Heimat, der die Frau nach Ehrang einlud. Dort wurde in einer Feier eine Gedenktafel enthüllt, die an 16 Opfer einer einzigen Bombe im Haus in der ehemaligen Neuen Bergstraße (heute Drosselweg 35) erinnert. Unter den Toten waren der Vater und die einzige Schwester von Alvere Hache-Süß. Das damals 13-Jährige Mädchen überlebte mit ihrer Mutter den Angriff. Es war der Vormittag des 6. Februars 1945, als ein britischer Jagdbomber seine Tod bringende Last über Ehrang ablud. "Vielleicht wollte er sie vor seiner Rückkehr loswerden", meint Horst Orth, Vorsitzender des Vereins Ehranger Heimat. Elf Patienten aus Ehrang und Umgebung, drei Soldaten, die bei der Familie Süß einquartiert waren, der 49-Jährige Arzt Josef Süß und seine 15-Jährige Tochter Ingeborg kamen ums Leben. Josef Süß hielt gerade Sprechstunde, erinnert sich Tochter Alvere, als er den Bomber bemerkte. "Er schrie: Runter in den Keller!" Doch für fast alle Bewohner des Hauses war es zu spät. Die Toten wurden in der Grundschule aufgebahrt. Alwere Hache-Süß und ihre Mutter versteckten sich fortan in einem nahen Stollen, bis die Amerikaner Ehrang einnahmen. Seit 39 Jahren lebt die Frau nahe Mülhausen im Elsass - und ist gerührt, welche Anteilnahme die Enthüllung der Gedenktafel findet. Die Tafel hatte zuvor im Verborgenen gleich um die Ecke gehangen, bis der Verein Ehranger Heimat auf die Inschrift aufmerksam gemacht wurde. "Keiner weiß, wer sie aufgehängt hat", meint Orth. Der Verein sorgte für die Restaurierung, das Anfertigen einer weiteren Plakette und den nun gut sichtbaren Standort. "Ich hätte nie gedacht, dass heute so viele Menschen kommen", sagt Alvere Hache-Süß. Unter den 30 Teilnehmern sind auch weitere Zeitzeugen. Wie Annemarie Simon, geborene Schneider, die glaubt, dass sie ihr Überleben nur einem Zufall zu verdanken hat. Eigentlich wollte ihre Familie in ihr Haus, das bei dem Bombenangriff im Dezember 1944 beschädigte wurde und nahe dem der Familie Süß stand, im Februar 1945 zurückkehren. Doch die erkrankte Großmutter aus der Fröhlicherstraße, wo die Familie untergebracht war, hielt sie zurück. Nachdenkliche Mienen bei der Feierstunde im Drosselweg, als Pastor Gerhard Jacob an das sich stets wiederholende Kriegstreiben erinnert. "Was mussten wir alles mitmachen", seufzt ein silberhaariger Mann kopfschüttelnd zu seinem Nachbarn.

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