TV-Serie „Menschen und Motoren“: Erwin, Ernst und ein süßes Etwas
Welschbillig-Möhn · Serie „Menschen & Motoren“: Dieser kleine, rote Messerschmitt Kabinenroller KR 200 aus Welschbillig-Möhn im Landkreis Trier-Saarburg hat eine ganz besondere Geschichte hinter sich.
Wenn begeisterungsfähige Menschen sich zu dem Ausruf: „Ach, ist der süß“ verleiten lassen, dann geht es in der Regel um einen Hundewelpen, ein Kälbchen oder Ähnliches. Bei dem, was sich in der Garage von Ernst Berg hinter dem Tor verbirgt, wäre dieser Ausspruch des Entzückens aber mit Sicherheit auch angebracht. Und es gab ihn mit großer Wahrscheinlichkeit auch schon mehr als einmal.
2,82 Meter lang, 1,22 Meter breit und 1,20 Meter hoch. Dabei ist der Begriff „hoch“ relativ. Niedrig wäre eher angebracht in diesem Fall. Ernst Berg guckt hinunter auf das kleine, rote Etwas mit der Kuppel – sie sieht ein wenig aus, wie aus einer Pralinenschachtel entnommen – und den putzigen kleinen Weißwandreifen. Fast liebevoll sagt er: „Eigentlich ist das kein richtiges Auto. Alles Seilzug.“
Dabei ist dieser Messerschmitt Kabinenroller KR 200 – denn um den geht es in unserer heutigen Folge von „Menschen & Motoren“ – ein wichtiger Zeitzeuge der deutschen Nachkriegsgeschichte. Dieses Fahrzeug hat viel zur Mobilisierung der jungen Republik beigetragen. Im Lebenslauf von Ernst Berg, der im Sommer 70 Jahre alt wird, hat dieses seltsame Fahrzeug von Kindesbeinen an eine bedeutende Rolle gespielt.
Schon früh durfte er auf dem schmalen, kleinen Sitz hinter dem Nachbarn Platz nehmen, wenn dieser mit seinem Kabinenroller ins nächste Dorf fuhr. Von da an war der kleine Ernst vom Virus KR 200 infiziert. „Später stand ein Modell auf meinem Schreibtisch. Aber ich wollte immer das Original haben.“ Lange musste Berg, gelernter Elektriker, Schlosser und jahrzehntelang Lokführer, warten, bis er sich seinen Wunsch erfüllen konnte. Bis 2009 genauer gesagt.
Zu diesem Zeitpunkt war er bereits Mitglied im Kabinenroller-Club Deutschland. Ohne einen zu besitzen. „Da musst du Mitglied sein“, sagt Berg. „Sonst kriegst du keinen. Die sind rar. Und keine Ersatzteile, keine Tipps, keine Freunde. Die braucht man aber. Sonst ist man verloren.“ In Bad Bergzabern in der Südpfalz hatte Berg den Besitzer eines KR 200 aufgegabelt, der seinen verkaufen wollte.
Er habe einen Transporter gemietet. „Bin runter gefahren, alles klar gemacht und hab mein neues Goldstück mit nach Hause genommen. Der war in einem miesen Zustand. Eigentlich nicht mehr als ein Haufen KR-200-Überbleibsel.“ Zuhause, erzählt er, sagten erst einmal alle – darunter auch seine Frau: „Um Himmels Willen. Was bringst du denn da an?“ Unter denen, die so reagierten, war auch sein jüngerer, früh verstorbener Bruder Erwin. Der verstand nicht nur etwas von Autos, sondern war auch ein Fußball-Idol als Stürmer und akribischer Trainer hochrangiger Vereine in der Region.
„Der Erwin hat mir geholfen, aus dem Haufen ein Auto zu machen“, erzählt Ernst Berg. Insgesamt drei Jahre hat es gedauert, bis der Tüv seinen Segen gab. Vieles hat Berg selbst gemacht, Vieles musste er machen lassen. Rund 6000 Euro habe er bezahlt. Mit allen seltenen und damit teuren Ersatzteilen, mit Motor-Restaurierung, neuer Haube und Lackierung hat er noch mal 15 000 Euro in sein Schmuckstück gesteckt. Nun schnurrt es wie Schmidts Katze. Kein Wunder, schöpft der Einzylinder-Zweitakter doch satte 10,2 PS aus 191 Kubikzentimetern Hubraum. Und ab und zu wird auch ein rasender Roland aus dem Gefährt. Dann wird es bis zu 85 km/h schnell.
Wo Ernst Berg mit seinem Kabinenroller auftaucht, wird er bewundert, und das kleine Etwas zaubert ein Lächeln auf die Gesichter der Menschen. In Trier, erzählt er, „habe ich einmal vorn an einer roten Ampel halten müssen, als ein Schwarm chinesischer Touristen auf mich zugerannt kam. Die wollten natürlich alle fotografieren. Keine Chance, zu fahren, als die Ampel grün wurde.“ Doch von hinten kam Beifall, statt Gehupe, weil er endlich losfahren sollte. „Nur einer mit BIT-Kennzeichen ist vorbei gerauscht und hat sich mit dem Finger an die Stirn getippt. Es gibt halt Leute, die können sich an nichts Schönem auf der Welt erfreuen.“ Doch das sind bloß ein paar Unverbesserliche ...
Weitere Fotos vom Oldtimer gibt es online auf www.volksfreund.de