"Es gibt keine Grenzen"

Trier/Schweich · Man sieht sie höchst selten in Musikschulen oder in den Reihen von Musikvereinen: Kinder mit einer Behinderung. Der Verein Aktion Musiker für Musiker im Einsatz, kurz Amme, will dies ändern. Der TV hat Musikschülern beim Üben über die Schultern geschaut.

 Markus Hoffmann bringt Florian, Schüler der Levana-Schule, das Schlagzeugspielen bei. TV-Foto: Katja Bernardy

Markus Hoffmann bringt Florian, Schüler der Levana-Schule, das Schlagzeugspielen bei. TV-Foto: Katja Bernardy

Foto: (h_st )

Trier/Schweich. Musikmachen wie die Stars Bushido und Kollegah, davon träumt Mike (14). Seinem Traum rückt der Schüler der Levana-Förderschule Schweich mit jeder Unterrichtsstunde ein klitzekleines Stück näher: Schlagzeuglehrer Markus Hoffmann bringt dem Teenager bei, wie man Stöcke und Rhythmus hält, Hand und Fuß zur richtigen Zeit einsetzt. Was auf den ersten Blick wie eine ganze normale Unterrichtsstunde aussieht, ist doch eine ganz besondere. Mike ist ein sogenannter Förderschüler, er hat ein Handicap. Und Gespür für Musik. "Ich weiß nicht, welche Behinderung die Kinder haben", sagt Hoffmann. "Es interessiert mich nicht." Unvoreingenommen macht er das, was er immer macht: geduldig lehren. Das Schlagzeug sei unter den neuen Musikschülern der Renner. "Auch, weil man sofort musikalische Ergebnisse erzielt", glaubt Hoffmann.Unerwartetes Potenzial

Nach Mike nimmt Florian (12) für eine halbe Stunde eine Auszeit vom regulären Unterricht und auf dem Hocker im Musikraum der Schule Platz. Er greift nach den Stöcken und drückt sie ins Fell der großen Trommel. Sein Wunsch: in der Lehrer-Band mitspielen. Viel von vielen unerwartetes Potenzial steckt laut Hoffmann in den Kindern.Schulleiter Volker Werkhausen ist Feuer und Flamme für den zusätzlichen Musikunterricht an seiner Schule. "Es wurde allerhöchste Zeit für dieses Angebot", sagt er. Musik sei ein wichtiger Bestandteil in der individuellen ganzheitlichen Förderung. Die hat sich die Levana-Schule auf die Fahnen geschrieben.Möglich macht den individuellen Unterricht ein Pilotprojekt des Vereins Amme in der Region Trier, das landesweit Schule machen soll. "Für Kinder mit einer geistigen Behinderung und psychischen Beeinträchtigungen gab es kaum die Möglichkeit, ein Musikinstrument zu erlernen. Es fehlten speziell ausgebildete Musikpädagogen, und viele Eltern haben nicht das Geld, ihrem Kind den Musikunterricht zu finanzieren", sagt der Ideengeber und Gründer von Amme, Günther Möhlig. Dank des Vereins zahlten die Eltern nun zehn Euro im Monat, den Rest übernimmt Amme.Engagiert wirbt Möhlig für das Vereinsziel, Inklusion durch Musik voranzubringen. Sieben Förderschulen und vier Werkstätten hat er bis heute in der Stadt und der Region Trier für sein Projekt gewonnen. Auch bei Hans-Dieter Höllen, Leiter der Kreismusikschule Trier-Saarburg, stieß Möhlig auf offene Türen. "Das Thema ist nicht neu, aber die Region war mit Angeboten für Kinder mit Handicap unterversorgt", sagt der Musikschulchef. Bei der Umfrage unter seinen Lehrern, wer mitmachen wolle, hätten sich überraschend viele gemeldet.Einer der Musiker, die von Amme auf die speziellen Anforderungen der neuen Schüler vorbereitet wurden, ist neben Hoffmann Emil Negelen. Der Gitarrenlehrer gesteht, anfangs leichte Bedenken gehabt zu haben: Ob die Schüler das überhaupt können? "Die Schüler haben mich überrascht, und als sie die Gitarre in der Hand hielten, haben sie mich eines Besseren belehrt", sagt Negelen. Sein Kollege Ralf Hertgen, Lehrer für Blechblasinstrumente, erklärt, Musik habe viel mit Gehör und Gefühl zu tun. Defizite beim Notenlernen etwa könnten so ausgeglichen werden. Über seine neue Aufgabe sagt er: "Es gibt keine Grenzen, jeder ist anders."amme-musik.de

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