"Es ist der Mensch, der zählt"

TRIER-SÜD. "Im Schammat" - da denken viele Trierer nur an in die 60er Jahren hinter St. Matthias erbauten Hochhäuser. Was viele nicht wissen: Im Schammat leben auch 285 Menschen in einer integrativen Wohnanlage.

Zwischen dem "Großen Schammat" und der Abtei St. Matthias liegen die Häuser Im Schammat 9-27 und 31-39. Zwischen den Bäumen lugen jeweils sechs Giebelhäuser hervor, die sich um einen Innenhof gruppieren. In den 70er Jahren planten die Abtei St. Matthias, das Sozialdezernat der Stadt und die Wohnungsbau und Treuhand AG (GBT) mit Geldern des sozialen Wohnungsbaus ein "Wohngebiet mit sozialer Zielsetzung". Anonymes und isoliertes Wohnen in der Stadt sollte vermieden werden. In Erbbaupacht gab die Abtei ihre Kuhweiden an die GBT. An die Zeit, als die Fläche hinter der Abtei noch Wald und Wiese war, erinnert die Flurbezeichnung. Ab Oktober möglich: Wohneigentum erwerben

Aus "les champs de St. Matthieu" - die Felder des Heiligen Matthias - machten die Trierer "Schammat". Dort entstanden 1979 zehn Wohnhöfe mit 144 Wohnungen, davon 44 rollstuhlgerecht. Die Eingänge der Wohnungen sind zum Innenhof gelegen, der als Spielplatz und Treffpunkt dient. Auf diese Weise wird die Kommunikation gefördert und die gegenseitige Hilfe angeregt. Das Schammatdorf zog Familien mit Kindern, Menschen mit Behinderung, ältere Menschen, psychisch Kranke, Alleinerziehende und Studierende an. Menschen mit unterschiedlichen Tagesabläufen und aus sämtlichen sozialen Schichten wohnen dort. Auffallend: Menschen mit sozialen Berufen sind überrepräsentiert. "Es sind die Besserverdienenden, die sich für ein solches Konzept interessieren und es umsetzen", weiß Sozialpädagoge Peter Machetanz. Dennoch lassen ein besseres Angebot von barrierefreien Wohnungen in Trier und neuer Wohnraum in den Konversionsgebieten derzeit die Nachfrage nach Wohnungen im Schammatdorf sinken. "Die Wohnqualität hier hat sich nicht verschlechtert. Auch durch den sozialen Brennpunkt im Großen Schammat haben wir keine Probleme", versichert Machetanz. Er ist für die Menschen im Schammatdorf der so genannte "Kleine Bürgermeister" und arbeitet im Gemeinschaftshaus im Dorfzentrum. Als Angestellter der Abtei wählt er mit dem Abt die Nachmieter aus und greift Initiativen im Schammatdorf auf. Mitbestimmung und Selbstverantwortung ist für die Schammatdorf-Bewohner seit 24 Jahren Alltag. Für Ansgar Schmidt, Abt der Benediktinerabtei St. Matthias, ist das bevorstehende Jubiläum auch Anlass, das Schammatdorf-Konzept neu zu überdenken. Um zu vermeiden, dass zufriedene Mieter wegziehen, die gerne in den eigenen vier Wänden wohnen wollen, wird es ab Oktober möglich, im Schammatdorf Eigentumswohnungen zu erwerben. "Indem wir etwa 30 Prozent zu Eigentumswohnungen erklären, können wir die Bewohner-Vielfalt erhalten. Die Nachbarn in den Höfen werden in jedem Fall vor einem Verkauf gehört", versichert Abt Ansgar. Nicht wenige wohnen noch heute im Schammatdorf, die zu den ersten gehörten, die 1979 ins Schammatdorf zogen. Einer dieser "Ureinwohner" ist Helga Terres aus Hof 19. Für ihre vierköpfige Familie kam die Entscheidung der Abtei zu spät. Sie werden nach Hockweiler ins neugebaute Haus ziehen. Helga Terres weiß zu schätzen, dass im Schammatdorf "der Mensch zählt, ganz gleich welche Behinderung man hat". Leider sei die Reaktion von Außenstehenden auf das Schammatdorf noch immer noch von Unwissenheit gekennzeichnet. Dabei wären die Erfahrungen und Projekte der Schammatdorf-Bewohner für die Menschen in den anderen Wohngebieten in Trier-Süd ein guter Anschauungsunterricht. Kontakt: Peter Machetanz, Telefon 0651/30555. Jeden Freitagabend "Kneipchen" im Schammatdorf-Zentrum, Im Schammat 13a, offen für jeden. Morgen in unserer Stadtteil-Serie: das Trier-Süder Vereinsleben.

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