Jugendkultur Trierer Exhaus: Wenn „Schimmelkeller“ ein Kosewort ist

Trier · Von Fußballfans bis Artisten-Workshops, von Punkkonzert bis Kinderhort: Das sozio-kulturelle Angebot des ehemaligen Exhaus-Vereins war groß. Kann das genau so von einem einzigen Träger in Zukunft weitergeführt werden? Und welche Einfluss hat die Stadt darauf?

 Hunderte Exhaus-Freunde demonstrieren am Dienstag vor dem Trierer Rathaus für den Erhalt des Exhauses.

Hunderte Exhaus-Freunde demonstrieren am Dienstag vor dem Trierer Rathaus für den Erhalt des Exhauses.

Foto: Willfried Hoffmann

„Exhaus bleibt!“, heißt der Slogan der mehreren Hundert Demonstranten, die am Dienstag erneut vor dem Trierer Rathaus deutlich machten, wie wichtig ihnen das Jugendzentrum ist. „Den Verein Exhaus gibt es nicht mehr, das muss allen klar sein!“, erklärte Sozialdezernentin Elvira Garbes dagegen später in der Stadtratssitzung unmissverständlich. Ein Gegensatz ist das nicht. Zumindest nicht, wenn man „das Exhaus“ in seinen Bestandteilen betrachtet:

Da ist zum einen das riesige Gebäude Exhaus am Moselufer in Trier-Nord. Hunderte Jahre alt, rund 4000 Quadratmeter Nutzfläche drinnen und draußen. Und so marode, dass die Sanierung wohl einen niedrigen bis mittleren zweistelligen Millionenbetrag kosten würde. Seit 2019 ist das Gebäude Exhaus wegen Baufälligkeit geschlossen.

Dem Verein Exzellenzhaus geht es noch schlechter: Seit Jahren finanzielle Probleme, 2018 in die Insolvenz gerutscht, massive weitere Einnahmeeinbrüche durch die Schließung der Veranstaltungsräume im Gebäude Exhaus und Mitte September im Zuge des Insolvenzverfahrens aufgelöst. Nicht von der Stadt, wie manche offenbar beinahe verschwörerisch vermuten. Das gesetzliche Insolvenzrecht lässt es schlicht nicht zu, dass Vereine ihre Geschäftstätigkeiten weiterführen, wenn Zahlungsunfähigkeit besteht.

Drittens das vielfältige sozio-kulturelle Angebot des Exhauses, das der Trägerverein Exhaus vor der Schließung des maroden Gebäudes Exhaus vorrangig in diesem anbot: Ein Kinderhort mit 45 Betreuungsplätzen, freie Jugendarbeit, das „Fanprojekt“, das sich um die Fußballfans des Fünftligisten Eintracht Trier kümmert, offene Jugendarbeit, Konzerte und Medienbildung gehören dazu.

Und dann gibt es noch so was wie die Idee Exhaus – unabhängig von Gebäude, Handelnden und konkretem Angebot. Zu dieser Idee gehört, dass es in einer studentisch geprägten Großstadt wie Trier ein subkulturelles Angebot für junge Leute geben muss. Und zur Abgrenzung der Subkultur von der Mainstream-Kultur – oder wie immer man den Gegenpart nennen will – gehört nicht nur die Selbstverwaltung, sondern auch, dass laute, wilde, berauschende Partys und Konzerte nun mal sehr gut in abgerockte, dunkle und gammlige Kellerräume passen. Dass es nicht aufgeräumt, funktionell und sauber zugeht, ist dabei durchaus sowas wie ein äußerer Ausdruck eines inneren Zustands. Die Bezeichnung „Schimmelkeller“ für den feuchten Partyraum im Untergeschoss ist daher auch kein Ekelbegriff, sondern liebevoller Kosename.

Zusammen –  Gebäude, Verein, Angebot und Idee – ist „das Exhaus“ so identitätsstiftend für Trier und nicht wegdenkbar, dass „es“ erhalten werden muss. Darüber war sich der Trierer Stadtrat, der am Dienstag erstmals öffentlich über den Niedergang des Jugendkulturzentrums diskutierte, soweit einig. Ob die Idee Exhaus allerdings nur weiterleben kann, wenn „das Exhaus“ seinen Stammsitz am Moselufer zurückerhält, das Angebot mit allen Bestandteilen genauso wie bisher weitergeführt wird – und zwar unter dem Dach eines einzigen Trägers – dazu gibt es allerdings unterschiedliche Einschätzungen.

CDU, Grüne und Linke setzten mit ihrer Mehrheit von 33 Stimmen im 56-köpfigen Gremium ihre Forderung durch, dass das bisherige Exhaus-Angebot auch in Zukunft von einem einzigen Träger organisiert werden müsse. Die Verwaltung soll diesen Prozess „wohlwollend und fördernd begleiten“. Das Problem: Bislang ist kein bestehender sozialer Träger in Sicht, der das komplette Exhaus-Angebot in seiner bisherigen Form komplett weiterführen will. Möglich ist zwar die Gründung eines neuen Vereins ähnlich dem alten, vielleicht sogar mit den selben Akteuren in Hausleitung, Jugend- und Kulturarbeit. Ein solcher neuer Verein stünde aber zumindest erstmal vor den selben Schwierigkeiten wie der alte Verein: strukturelle Probleme bei der Finanzierung, keine Räumlichkeiten für eigene Konzerte.

Eine echte Begründung dafür, dass die bisherigen Exhaus-Angebote nicht von unterschiedlichen Trägern in die Zukunft geführt werden könnten, brachten die Sprecher von CDU, Grünen und Linke nicht in die Diskussion ein. „Wir wollen klarmachen, dass wir auf der institutionellen Ebene Streetwork, Hort, Jugendarbeit, Kulturarbeit erhalten wollen“, postulierte etwa Grünen-Sprecher Wolf Buchmann. Konzepte und Ideen des Exhauses müssten unter einer neuen Trägerstruktur erhalten werden, „um Sachen, die in der Vergangenheit nicht gut gelaufen sind, besser zu machen“.

CDU-Sprecher Norbert Freischmidt betonte zwar, dass es „ein Weiterso nicht geben wird“ – allerdings ohne zu sagen, was anders werden soll. Stattdessen blieb der Christdemokrat allgemein: Die Verwaltung müsse nun prüfen, unter welcher neuen Trägerstruktur das „tolle Angebot in der Jugendkulturarbeit wirtschaftlich erhalten“ werden kann. Warum nicht geprüft werden soll, ob andere Träger und Vereine nicht Teile des ehemaligen Exhaus-Angebots eventuell sogar besser machen könnten, erläuterte auch Freischmidt nicht. Theresia Görgen von der Linken will sich dafür einsetzen, dass alle ehemaligen Beschäftigten des Exhauses „in einem sicheren Beschäftigungsverhältnis ihre wertvolle Arbeit fortführen können“ – ohne zu erläutern, welche Handhabe die Stadt in dieser Sache hat.

SPD-Sprecherin Julia Bengart bedauerte – wie alle anderen Fraktionen auch – zutiefst das Aus des alten Exhaus-Vereins. Einen neuen Träger zu finden, der alles so weiterführt, „liegt aber nicht in der Entscheidungshoheit des Stadtrats“, sagte sie. Vielmehr müsse nun geprüft werden, welches Angebot in Trier-Nord erhalten bleiben müsse, ob etwas fehlt, und was „unter neuen Strukturen möglich ist“.

FDP-Chef Tobias Schneider erklärte den Antrag von CDU, Grünen und Linken zur „Augenwischerei“: „Wir suggerieren damit, dass es eine Lösung gibt, die es nicht geben sollte. Oder halten Sie es für sinnvoll, nach allem, was im Exhaus schiefgelaufen ist, alles wieder in eine ähnliche Struktur zu gießen?“, fragte er rhetorisch. „Man muss sich den Realitäten stellen und die Zukunft so gestalten, dass die Arbeit, die dort geleistet wurde, fortgeführt werden kann. Die Struktur muss dahinter erstmal zurückstehen – ob zum Beispiel das Fanprojekt beim Folgeträger oder einem anderen fortgeführt wird, ist zweitrangig.“

UBT-Fraktionsvorsitzender Christian Schenk sekundierte: „Einem zukünftigen Träger vorzuschreiben, dass er alle bisherigen Exhaus-Angebote unter einem Dach weiterführen muss, halten wir für verfrüht und kontraproduktiv. Ein neuer Träger muss die Möglichkeit zur sauberen, wirtschaftlichen Struktur haben – ohne Zwänge im Vorfeld.“

Die Stadt habe viel dafür getan, das Exhaus auf einen guten Weg zu bringen, finanziell und ideell, sagte AfD-Sprecher Bernd Schulz. Die Probleme seien dadurch allerdings nicht gelöst worden. „Spätestens jetzt müssen wir ernsthaft anfangen, über Alternativen nachzudenken.“ Auch eine Umnutzung des alten Exhaus-Gebäudes dürfe nicht ausgeschlossen werden. Durch den Verkauf an einen Investor könne „aus dem Millionengrab eine Einnahmequelle gemacht werden“, sagte Schulz. Den Antrag der AfD, der unter anderem die Prüfung beinhaltete, das Exhaus Investoren zum Kauf anzubieten, schmetterten alle übrigen Fraktionen allerdings ab. Tenor: Mit dem Verkauf des alten Stammhauses würden Fakten geschaffen, bevor feststehe, wie es mit dem Exhaus-Angebot weitergehen kann.

SPD-Chef Sven Teuber fragte offensiv bei der fürs Exhaus zuständigen Sozialdezernentin Elvira Garbes nach, wie sie zu dem Antrag ihrer eigenen Partei stehe: „Ich unterstütze den Antrag nicht“, räumte die Grüne ein. Für die Weiterführung des Horts, den bislang vom Exhaus verwalteten so genannten „Bunker“, in dem Bands Proberäume nutzen können, und auch für das Fanprojekt liefen bereits Gespräche mit potenziellen anderen Trägern. „Wenn ich dazu jetzt sagen würde, nein, wir brauchen einen einzigen Träger, der alles unter einem Dach vereinbart – was wird dann aus den Angeboten, wenn wir diesen Träger nicht finden?“

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