Expressiv und emotional

Ein Kammerkonzert im Varieté Chat Noir - geht das denn? Dort, wo sonst die leichte Muse das Publikum küsst, stand ernste, wenn auch moderne und experimentelle Musik auf dem Programm. Das bestritten zum vierten Mal in diesem Jahr Mitglieder des Philharmonischen Orchesters Trier mit Gast-Musikern.

Trier. Mit dem vierten von sechs Kammerkonzerten sind die Trie rer Orchester-Musiker in der Gegenwart angekommen. Unisono ließ zu Beginn das Gitarren-Quartett Michael Zender, Michael Paulus, Christoph Haupers und Ralph Beckmann einen Ton in die Stille tröpfeln. Aus ihm entwickelte sich das Motiv zu einem leisen Plätschern bis zum trommelnden Wolkenbruch, der plötzlich und so leise wieder versiegt, wie er begonnen hat. Der 1939 in Havanna geborene Komponist Leo Brouwers hat genau das in seinem "Cuban Landscape with rain" vertont. Das Violinen-Duo Ulrike Hein und Pinar Esin Savci machte in intensivem Zusammenspiel Gebrauch vom gesamten Raum, um dem Reichtum an Modulationen in Alfred Schnittkes "Präludium in Memoriam D. Schostakowitsch" gerecht zu werden.Zu einem der nicht geringen Höhepunkte des Abends, und zwar einem mit Seltenheitswert, wurde die "Toccata for Vibraphone and Marimba" von Anders Koppel in der Interpretation von Hans Rudolf (Vibrafon) und Michael Steiner (Marimba). Die in der Orchesterliteratur häufig wenig beachteten Instrumente beherrschten sie virtuos: Rasante Stakkati wechselten mit lang schwingenden Tönen, an Orgelmusik erinnernde Passagen alternierten in einen tänzerischen Dreivierteltakt. Die beiden Musiker brachten das Stück nicht nur zu Gehör, sondern malten damit Bilder, drehten einen Film für das individuelle Kopfkino der Zuhörer. Ebenso gelungen und anschaulich György Ligetis "Streichquartett Nr. 1", dessen klanggewaltigen "Métamorphoses nocturnes" Ulrike Hein, Pinar Esin Savci, Daniel Poschta (Viola) und Moritz Reutlinger (Violoncello) mit Sauberkeit in der Dynamik und feinem Sinn für die Wandlung des Motivs beschrieben.Zum Abschluss: ein bisschen Jazz

Freier bewegte sich ein neunköpfiges Ensemble in ungewöhnlicher Besetzung durch die jazzigen Kompositionen von Ortwin Feil, Daniel Poschta und George Russel. Darunter die Komponisten Feil (Schlagzeug) und Poschta (Viola/Gitarre), Jazz-Größen wie Roby Glod (Saxofon) und Andreas Düro (Bass), Martin Form (Klarinette), Joachim Gruber (Fagott), Martin Görg (Posaune) sowie Rudolf und Steiner. Es war ein gewagtes Experiment, das aber vom Publikum begeistert aufgenommen wurde und das selbst ewigen Zweiflern bewies: Moderne und experimentelle Musik funktioniert auch an einem Samstagabend im Varieté.

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