Jugendkultur Flammendes Plädoyer fürs Trierer Exhaus

Nicht finanzielle Misswirtschaft habe den Trierer Jugendkulturverein in die Insolvenz getrieben. Vielmehr sei das Zentrum jahrzehntelang zu wenig finanziell unterstützt worden – behaupten ehemalige Hausleiter, Vorsitzende und Ehrenamtliche.

 Ex-Freundinnen: Auch diese beiden Frauen demonstrierten am vergangenen Dienstag vor dem Trierer Rathaus für den Erhalt des Jugendkulturzentrums Exhaus.

Ex-Freundinnen: Auch diese beiden Frauen demonstrierten am vergangenen Dienstag vor dem Trierer Rathaus für den Erhalt des Jugendkulturzentrums Exhaus.

Foto: Christiane Wolff

Trier „Die Jugendarbeit im Exzellenzhaus war immer chronisch unterfinanziert, wir wissen dies aus jahrzehntewährender Erfahrung“: Die das schreiben, sind keine Unbekannten in der Trierer Jugend- und Kulturszene.

Der Historiker Hannes Platz war von 1996 bis 2004 Vorsitzender des Kulturvereins Exzellenzhaus, dem Träger des gleichnamigen Zentrums. Diplom-Pädagoge Albert Fußmann leitete das Haus von 1987 bis 1992. Wolfgang Scholtes, heute selbständiger Unternehmer, war Vereinsvorsitzender von 1984 bis 1992. Ingenieur Guido Kölsch stand dem Verein von 1992 bis 1996 vor. Sascha Kropp, Vorsitzender von 2004 bis 2005, ist heute hauptberuflicher Eventmanager. Yvonne Gouverneur, stellvertretende Vereinsvorsitzende von 1992 bis 1995, arbeitet heute als Rechtsanwältin. Diplom-Pädagoge Rainer Freischmidt war stellvertretender Vorsitzender von 1995 bis 1997. Der wohl bekannteste Ex-Freund ist allerdings wohl Helmut Schwickerath, Kunsterzieher, Künstler, legendärer Herausgeber der „Kleinen Anderen Trierer Zeitung“ (Katz) und erster Vorsitzender des Exhauses von 1978 bis 1982.

Sie alle hätten „mehr als nur Herzblut in das Jugend- und Kulturzentrum investiert“, schreiben sie in einem gemeinsamen Brief an den Volksfreund. Der Verein hatte vorige Woche wegen drohender Zahlungsunfähigkeit seine Geschäftstätigkeit im Rahmen eines Insolvenzverfahrens einstellen müssen (der TV berichtete). „Nichts ist falscher, als dies alleine auf Missmanagement zurückzuführen“, formulieren die Ex-Exhäusler.

Hier ihr Schreiben im Wortlaut:

Fotos: Das Exhaus Trier im September 2020
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Das Exhaus Trier im September 2020

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Foto: TV/Florian Jüngling

„Das Exhaus zeichnete sich durch eine im Sozialen verwurzelte Form des Kultur- und Sozialmanagements aus, die sozialpolitisch informiert und kulturell nahe an den Avantgarden der Zeit war. Als freier Träger braucht das Exhaus heute unsere Solidarität, so wie es mit Erlösen aus der geleisteten Jugendkulturarbeit und mit frei eingeworbenen Drittmitteln über Jahrzehnte die offene Jugendsozialarbeit im sozialen Brennpunkt mitfinanziert hat.Mit professionellem Personal, aber auch mit Stunden um Stunden ehrenamtlicher Arbeit von Jugendlichen und jungen Erwachsenen hat es dies getan und sollte es auch weiter tun können.

Die Jugendkulturarbeit sollte sich nicht nur selbst tragen, sondern auch noch die Offene Jugendarbeit mitfinanzieren. Dieses Modell war immer auf Kante genäht. Und so haben kleinste Verwerfungen, wie der Brandschutz im Jahr 2016 sukzessive dem Verein den von ihm geleisteten Deckungsbeitrag geraubt.

Wir sind weit davon entfernt, die Subventionierungen der ernsten Kultur gegen die fehlenden Subventionen der leichten Subkultur aufzurechnen. Alle ehrenamtlichen getragenen Träger wissen ein Lied davon zu singen, wie schwierig es ist, Ehrenamtlichkeit am Leben zu erhalten. Im Falle des Exhauses wurde Jugendsozialarbeit querfinanziert und eine Immobilie mit unterhalten, deren Bausubstanz aus dem 18. Jahrhundert stammt. Aus welchem Grunde auch immer, es darf nicht wundern, wenn ein solches System genau dann nicht mehr funktioniert, wenn erst das Haus nicht mehr vorhanden ist und dann noch der Corona-Lockdown die Probleme verschärft. In genau so einer Situation stecken wir heute und wir müssen dem Exhaus die solidarische Unterstützung zurückgeben, die es über Jahrzehnte kontinuierlicher Arbeit in den Stadtteil und die Region geleistet hat.

Die Lösung ist so simpel wie banal: es darf keine Ausflüchte mehr geben von Seiten der Stadt: will man sowohl die Jugendarbeit in Trier-Nord und die überregionale Jugendkulturarbeit, die eine Reichweite und ein Einzugsgebiet hat, von dem jede kulturelle Institution nur träumt, benötigt es jetzt sofort eine grundsätzliche Unterstützung für Ersatzräumlichkeiten, gesichertes Personal und eine langfristige Zusage zur Renovierung des Hauses, unter Umständen auch mit neuartigen Finanzierungsformen.

Und das alles soll und muss dazu beitragen, dass Selbstorganisation, Selbstverwaltung und Mitbestimmung in einem der ältesten freien Jugendzentren der Bundesrepublik weiter stattfinden können. Denn das sind die Werte, für die wir als Leitende in den vergangenen Jahrzehnten im Exhaus standen – und für die wir heute noch stehen. Das möchten wir Kindern und Jugendlichen vermittelt sehen. Auch wenn es kostet.“

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