FLÜCHTLINGE

Zum Bericht "Gesicht und Courage zeigen in aller Öffentlichkeit - Ausstellung zur ,Willkommen’-Fotokampagne auf dem Viehmarkt" (TV vom 6. Dezember)

Mit einer professionell inszenierten Plakatausstellung bemühen sich derzeit Vertreter des guten Deutschlands um eine Wiederbelebung der etwas erlahmten "Willkommenskultur", indem sie mit ihrem Bildnis kundtun, warum sie für Offenheit und Toleranz gegenüber Flüchtlingen eintreten. Unter ihnen finden wir natürlich unsere grundsympathische Ministerpräsidentin, Kirchenvertreter, lokale Größen und anscheinend auch ganz normale Leute wie Du und ich. Die schlichten Statements sind im Duktus eines moralischen Absolutheitsanspruchs formuliert, der keine differenziertere Beleuchtung der Flüchtlingsfrage zulässt. Zu Wort kommen auch einige Vorzeigeflüchtlinge. Dies ist sicher positiv, ruft es uns doch in Erinnerung, dass hinter anonymen Migranten Einzelschicksale stehen. Die eindimensionale Ausstellungskonzeption verstellt jedoch den Blick auf die aktuellen Missstände unseres weitreichenden und weltfremden deutschen Asylrechts, das zum massenhaften Asylmissbrauch geradezu einlädt. Die Folge dieses fehlgeleiteten Systems sind quälend lange Bearbeitungszeiten bei den Asylverfahren durch eine überforderte Bürokratie. Dazu zwei Beispiele aus dem eigenen Umfeld: Im ersten Fall warten die Personen schon über zwei Jahre auf ihr erstes (!) Anhörungsgespräch überhaupt. Der zweite Fall - eine Familie mit Kindern aus einem sicheren, demokratischen Staat Europas, ergo ohne jede Bleibeperspektive als Asylbewerber - sitzt hier seit Monaten in einem für die Beteiligten zermürbenden Schwebezustand fest. Asylalltag in Rheinland-Pfalz 2016, Frau Dreyer! Noch ein Wort an die Ausstellungsmacher: Ich dachte, die Stufe reflexionsarmer Flüchtlingseuphorie hätte unsere Gesellschaft mittlerweile überwunden. Sie steht einer vernünftigen und sachorientierten Behandlung des komplexen Flüchtlingsproblems nur im Weg. Dies sollten uns die Ereignisse seit 2015 eigentlich gelehrt haben. Dr. Joachim Hupe, Gusterath

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