Flüchtlinge Ein Abschied mit Wehmut und Freude

Trier-Euren · Fast vier Jahre lang haben Flüchtlinge in der ehemaligen Kaserne an der Luxemburger Straße in Trier Zuflucht gefunden. Ende Januar wird das Areal von der Caritas geräumt. Bei den Beschäftigten schwingt auch Wehmut mit.

 Blick zurück: Die Mensa in der Aufnahmeeinrichtung in Trier-Euren war für die dort einquartierten Asylbegehrenden ein beliebter Treffpunkt.

Blick zurück: Die Mensa in der Aufnahmeeinrichtung in Trier-Euren war für die dort einquartierten Asylbegehrenden ein beliebter Treffpunkt.

Foto: Friedemann Vetter

Wie viele Menschen genau seit dem 1. Februar 2014 auf dem Gelände der ehemaligen General-von-Seidel-Kaserne an der Lu­xemburger Straße in Trier betreut worden sind, kann Caritasdirektor Bernd Kettern nicht sagen. Offiziell vermerkt sind 17 889. Aber weil die Statistiken 2015 und 2016 zeitweise angesichts der vielen täglich neu ankommenden Flüchtlinge nicht oberste Priorität hatten, liegt die tatsächliche Zahl vermutlich bei mehr als 20 000. „Insgesamt waren dort in den vergangenen vier Jahren 110 Caritas-Mitarbeiter und 30 ehrenamtliche Helfer mit der sozialen Betreuung der Männer, Frauen und Kinder aus 33 Ländern befasst“, weiß Kettern. „Für mich ist die ALux ein Sinnbild der Nächstenliebe.“

ALux steht für Aufnahmeeinrichtung Luxemburger Straße. Nachdem inzwischen die letzten Asylbegehrenden das zehn Hektar große Areal verlassen haben, wird die Außenstelle der Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende (Afa) Trier-Nord am 31. Januar an den Bund zurückgegeben. Die Stadt Trier will das Gelände kaufen und zum Gewerbegebiet entwickeln (siehe unten).

Nachdem im Februar 2014 in den leerstehenden Kasernengebäuden der ALux zunächst 150 alleinreisende Männer untergebracht waren, entwickelte sich die Liegenschaft in den Sommer- und Herbstmonaten 2015 zur größten Aufnahmeeinrichtung in Rheinland-Pfalz, mit mehr als 2000 Menschen, für die zeitweise auch in Zelten Schlafplätze bereitgestellt werden mussten. Thomas Pütz, Leiter der Afa Trier-Nord, zieht zur Zusammenarbeit mit der Caritas eine positive Bilanz. Gemeinsam habe man schnell und unkompliziert reagiert und die große Herausforderung gemeistert.

Sozialpädagogin Stephanie Zirbes ist eine der Caritas-Mitarbeiterinnen, die solches Lob gerne hören. Die 33-Jährige hat sich im Herbst 2015 und Frühjahr 2016 in der ALux vor allem um Frauen und Kinder gekümmert. „Es war spannend, bei der Entwicklung der Einrichtung dabei zu sein“, sagt sie. „Als der große Zustrom kam, haben sich die Menschen auch untereinander sehr geholfen.“ Das bestätigt Stephanie Christ. Die 28-jährige Gesundheits- und Krankenpflegerin hat im November 2014 die Krankenstation in der Aufnahmeeinrichtung mit aufgebaut. „Vor allem 2015 und 2016 waren eine sehr spannende Zeit. Wenn da zum Beispiel 400 Leute sind, die alle zur Eingangsuntersuchung ins  Gesundheitsamt wollen, dann ist das schon eine Herausforderung.“ Besonders die Betreuung der schwangeren Frauen und der Kinder sind ihr in guter Erinnerung geblieben. „Die waren einfach dankbar, dass sich jemand um sie gekümmert hat.“

Wie die Hälfte der derzeit noch 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat auch Stephanie Christ bereits eine neue Anstellung in Aussicht. „Es ist schade, wenn man schließen und wieder abbauen muss, was man davor aufgebaut hat“, sagt sie. „Ich sehe das Ende der ALux deshalb mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Für die Zeit dort und für das Superteam, bei der Leitung der Einrichtung wie in der Krankenstation, bin ich sehr dankbar.“

Für die Caritas Trier bedeutet das Ende der ALux freilich nicht das Ende der Flüchtlingsarbeit. Direktor Bernd Kettern („Wir hatten dort tolle Leute“) bedankt sich rückblickend besonders bei der Mobilen Spielaktion („Die haben den Kindern jeden Donnerstag etwas geboten“) und verweist auf die Kooperation mit dem Kreis Trier-Saarburg. Aber auch in Trier sollen Projekte fortgeführt werden, zum Beispiel das Hebammenprojekt, gemeinsam mit der katholischen Familienbildungsstätte.

In diesen Wochen ist auf dem Gelände noch viel zu tun. So müssen in der nun wieder menschenleeren Kaserne die Wohn- und Verwaltungsräume ebenso wie die Mensa, die Krankenstation und die Spielstube geräumt und aufgelöst werden. Die Caritas hat in den vergangenen vier Jahren ebenso in die Einrichtung investiert wie das Land. Alles muss jetzt wieder getrennt und verbucht werden. Keine einfache Arbeit für die Mitarbeiter. Und auch Bernd Kettern schließt dieses Kapitel nicht ohne Wehmut: „Niemand von uns, die dort gearbeitet haben, wird in Zukunft unberührt dort vorbeifahren. Das wird Teil unseres Lebens bleiben.“

Kommentar: Eine Chance für die Stadt Trier

Rainer Neubert

Der Caritas Trier, ihren Beschäftigten und den vielen ehrenamtlichen Helfern gebührt Dank. Sie haben es geschafft Menschlichkeit zu bewahren, auch als eine kaum zu bewältigenden Zahl von Flüchtlingen untergebracht und versorgt werden musste. Die Dankbarkeit dieser Menschen auf der Flucht vor Elend und Krieg lässt sie trotz der Freude über das Ende des Flüchtlingsstroms auch etwas wehmütig zurückblicken.

Für Trier bedeutet die Rückgabe des Geländes eine doppelte Chance. Da ist die Chance, aus den Erfahrungen mit der ALux (Aufnahmeeinrichtung Luxemburger Straße) für zukünftige Notlagen zu lernen. Vor allem aber bieten die dringend benötigten Flächen eine Perspektive für die Stadtentwicklung. Mit ihnen soll in den kommenden Jahren die Abwanderungen expansionswilliger Betriebe verhindert werden. Ich wünsche ein geschicktes Händchen bei den Kaufverhandlungen mit dem Bund. Die Erfahrung zeigt: Einfach wird das nicht.

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