Förderer der Aussöhnung ein Nazi-Getreuer?

Föhren · Sechs Jahre nach dem Tod von Albrecht Graf von Krockow werden in Polen Vorwürfe laut, er habe der SS angehört. Sein Sohn spricht von Machtkampf. Die Adelsfamilie könnte durch eine posthume Aberkennung der Staatsbürgerschaft ihren Besitz verlieren.

 Opfer polnischer Ränkespiele? Ulrich Graf von Krockow hält in einem neu eingerichteten Heimatmuseum in Föhren die Erinnerung an seine Eltern Albrecht und Adda sowie an das frühere Hofgut, das sein Vater leitete, wach. TV-Foto: Albert Follmann

Opfer polnischer Ränkespiele? Ulrich Graf von Krockow hält in einem neu eingerichteten Heimatmuseum in Föhren die Erinnerung an seine Eltern Albrecht und Adda sowie an das frühere Hofgut, das sein Vater leitete, wach. TV-Foto: Albert Follmann

Ausgerechnet Albrecht Graf von Krockow, Ökonomierat, langjähriger Kreisdeputierter und Brückenbauer zwischen Polen und Deutschen, soll Mitglied der Schutzstaffel (SS) gewesen sein? Wie die polnische Zeitung "Gazeta Wyborcza" berichtet, lägen der Bezirksverwaltung in Danzig entsprechende Erkenntnisse aus dem Berliner Bundesarchiv vor. Damit, so schreibt die Zeitung weiter, könne dem 2007 im Alter von 93 Jahren verstorbenen Grafen womöglich die polnische Staatsbürgerschaft aberkannt werden. Laut einem polnischen Gesetz aus den 1930er Jahren darf die niemand besitzen, der sich in den Dienst einer feindlichen Armee gestellt hat.Sohn will sich entschuldigen


Eine Aberkennung hätte auch Folgen für den Besitz der von Krockows. Die Familie war 1945 aus dem westpreußischen Krockow (Krokowa) vor der heranrückenden russischen Armee nach Föhren (Kreis Trier-Saarburg) geflohen, wo Albrecht Graf von Krockow als Gutsverwalter der Grafen von Kesselstatt arbeitete. 1991, nach der Wende, erhielt von Krockow die polnische Staatsbürgerschaft zurück und baute das verfallene Familienschloss zusammen mit der Gemeinde Krokowa zu einem Tagungshotel mit Museum und europäischer Begegnungsstätte aus.

Heute führt Albrechts Sohn Ulrich von Krockow das Gut und die gemeinnützige Stiftung, die unter anderem polnische Pflegekräfte an deutsche Haushalte vermittelt. Er muss nun um sein Eigentum fürchten. "Mein Vater hat sich nichts zu Schulden kommen lassen, er wollte doch immer nur Gutes tun", sagt der Sohn. Das wisse jeder, der ihn gekannt habe.

Von Krockow möchte am Mittwoch nächster Woche nach Polen reisen und sich "für diese Sache entschuldigen". "Es tut uns leid, dass Emotionen hochgekocht sind und gewisse Polen jetzt denken, mein Vater wäre in schwarzer Uniform herumgerannt und habe weiß Gott was verbrochen", so von Krockow. Er bereitet eine Stellungnahme vor, um die das polnische Innenministerium gebeten hat.

Es ist nicht das erste Mal, dass von polnischer Seite versucht wird, eine NS-Vergangenheit als Hebel für die Aberkennung der Staatsbürgerschaft einzusetzen. Zwei Mal sei es wegen angeblicher Mitgliedschaft seines Vaters in der SA (Sturmabteilung) zu Verhandlungen vor dem Verfassungsgericht gekommen, sagt Ulrich von Krockow. Diese Vorwürfe seien aber entkräftet worden. Damals wie heute will er sich nicht daran beteiligen, schmutzige Wäsche zu waschen. Nur so viel gibt er preis: "Die Sache ist sehr kompliziert. Personen und Parteien kämpfen um Besitz und Einfluss."Feier in Polen abgesagt


Obwohl die juristische Aufarbeitung noch ansteht, haben die neuerlichen Attacken gegen die preußische Adelsfamilie bereits konkrete Auswirkungen: Eine von der Stiftung geplante Feier zum 100-jährigen Geburtstag des Grafen in Polen, zu der am 7. September auch Honoratioren aus dem Kreis Trier-Saarburg eingeladen waren, wurde abgesagt - es solle nicht noch mehr Öl ins Feuer gegossen werden, begründet dies Ulrich von Krockow. Eine am 2. September in Föhren geplante Feier mit "alten Weggefährten" seines Vaters soll wie geplant stattfinden.

"Für uns zählt erst einmal, was der Graf in Deutschland geleistet hat", sagt Kreisbeigeordneter Dieter Schmitt (CDU). Er vertritt derzeit den in Urlaub befindlichen Landrat Günther Schartz. Von Krockow habe sich als vorbildlicher "Brückenbauer" für deutsch-polnische Städtepartnerschaften (siehe Extra), als langjähriger Kommunalpolitiker und engagierter Landwirt große Verdienste erworben.Meinung

Europäer der ersten Stunde
Albrecht Graf von Krockow war zeitlebens mit Herz und Seele Landwirt, Familienmensch und Ehrenamtler. Er war nach dem Zusammenbruch des Kommunismus ein unermüdlicher Förderer der deutsch-polnischen Freundschaft, ein Europäer der ersten Stunde. Davon sind die Leute, die ihn jetzt aus welchen Gründen auch immer diskreditieren, weit entfernt. Sie wollen sich offenbar noch Pfründe sichern, bevor im Jahr 2016 auf Betreiben der EU die hohen Hürden für den Erwerb von Grund und Boden für Ausländer in Polen fallen. Der Graf hat einem polnischen Journalisten schon vor Jahren gesagt, dass er der Reiter-SA beigetreten sei, weil er damit habe verhindern können, dass der Hof eines Verwandten enteignet worden wäre. Das ist in dem auch auf Deutsch erschienenen Buch "Herz über alles" nachzulesen. Allenfalls war der Graf also ein Opportunist, aber beileibe kein Kriegsverbrecher. a.follmann@volksfreund.deExtra

Albrecht Graf von Krockow initiierte die Partnerschaften der Verbandsgemeinde Schweich mit Krokowa (1995) und des Kreises Trier-Saarburg mit dem an der Danziger Bucht gelegenen polnischen Landkreis Puck (2001). Es folgten Verbrüderungen der Städte Konz und Puck (2003), Hermeskeil und Hel (2004) sowie der VG Ruwer mit Kosakowo (2013). alf

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