Frau Lehrerin spielt Blues

TRIER-WEST. Blues Männersache? Nicht ganz. Die Sängerinnen Pezi Nels und Lily Remy haben sich in der Trierer Szene längst unentbehrlich gemacht. Und mit zunehmendem Erfolg spielt sich Annette Naberfeld in die vermeintliche Männerdomäne vor, vorerst allerdings als Einzelkämpferin: Andere Blues-Pianistinnen gibt es weit und breit nicht.

Schon mancher Lehrer oder ehemalige Schüler des Friedrich-Wilhelm-Gymnasiums hat sich bei Konzerten das Quintetts "Colours of Blues" gewundert. Die Dame an den Tasten kam ihm irgendwie bekannt vor. "Gut möglich", sagt Annette Naberfeld. "Anfang der 90er-Jahre habe ich ein Referendariat am FWG absolviert." Musiklehrerin ist sie dann aber nicht im Gymnasialdienst geworden, sondern ganz privat und an der städtischen Musikschule. Aber ihrem Wohnsitz Trier hat die Musikerin aus Goch am Niederrhein nicht mehr den Rücken gekehrt: "Eine traumhafte Stadt zwischen Bergen und am Fluss. Das hat mir schon zu Schulzeiten gefallen, als ich mit der katholischen Jugend öfter im Trierer Land war."Traumerfüllung in traumhafter Stadt

In dieser traumhaften Stadt hat sich Annette Naberfeld den Traum erfüllt, in einer Band zu spielen. "Ich war früher sehr auf Jazz fixiert. Das hat meine musikalischen Ambitionen nicht gerade erleichtert", sagt die 43-Jährige. "In Goch gab es in meiner Jugend überhaupt keine Jazz-Szene. Band-Erfahrungen habe ich erstmals während meines Studiums in Köln gemacht." Die Zahl der Auftritte hielt sich aber in überschaubaren Grenzen. Ganz anders in der Wahlheimat Trier. Dort schloss sich Annette Naberfeld der Fachhochschul-Jazzband unter Leitung von Helmut "Daisy" Becker an und erspielte sich eine Perspektive: "Da hab ich viel gelernt und auch einiges an Selbstvertrauen gewonnen." Und zwar so viel, dass der "eher zurückhaltende Typ" (Selbsteinschätzung) das Genre wechselte und vor fünf Jahren in die Männercombo "Colours of Blues" einstieg. Dort ist der Bandname Programm und die Entfaltungsmöglichkeit so groß wie der Aktionsradius: "Wir kommen ganz schön 'rum, spielen auch schon mal in Frankfurt und in Luxemburg. Das konzentrierte und disziplinierte Arbeiten in der Band tut mir sehr gut." Blues als Eigentherapie? "Ja, kann man so sagen. Ich bin ein sehr verkopfter Mensch. Blues hat nichts mit akademischer Herangehensweise zu tun, man muss ihn aus dem Bauch heraus spielen. Das musste ich erst lernen. Jetzt kann ich's." Zum gesteigerten Wohlbefinden trägt auch der Stadtteil Trier-West bei. Seit zwei Jahren wohnen Annette Naberfeld, Lebensgefährte Wilhelm Koster (44) und Katze "Mütze" ("weil sie so schlafmützig ist") in der Bärenfeldstraße. Die Mosel quasi vor der Tür, den Markusberg hinterm Haus, "und drumherum lauter nette Menschen, die Zugezogene freundlich grüßen". Das sei Lebensqualität pur: "Hier will ich nicht mehr weg." Außer, wenn die Musik ruft. 25 Schülerinnen und Schüler unterrichtet die Klavierlehrerin "außer Haus", und die nächsten Konzerte stehen auch schon vor der Tür. Am Freitag, 22. April, feiert "Colours of Blues"-Chef Gerd Senftleben seinen 40. Geburtstag mit einem öffentlichen Konzert seiner Band in der Kneipe "Tubak" (Hawstraße); am Pfingstsamstag (15. Mai) spielt Annette Naberfeld mit der Bigband Rhythm & Swing, der sie seit vergangenem Herbst angehört, beim Jazz-Festival auf dem Domfreihof. Dem Jazz hat sie also nicht abgeschworen? "Keineswegs. Trier hat eine tolle, florierende Jazz-Szene und bietet eine beeindruckend gute Ausbildungs-Basis. Es gibt viele talentierte Jung-Jazzerinnen." Aber als Blues-Instrumentalistin ist Annette Naberfeld vorerst konkurrenzlos.

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