Frühwarnsystem gegen Missbrauchsfälle

TRIER. (gsb) "Welche Rolle spielt die Schule im Umgang mit sexuell missbrauchten Kindern?" Diesem Thema ging der Arbeitskreis gegen sexuellen Missbrauch von Kindern in einer Sitzung nach.

Seit zehn Jahren besteht dieser Arbeitskreis. Derzeit ist einer der Arbeitsschwerpunkte der Umgang von Schulen mit diesem Thema. Als Ansatzpunkt wurde ein Passus aus dem neuen Flugblatt "Da stimmt was nicht" des Arbeitskreises genommen: "In jeder Schulklasse sind zwei Mädchen und ein Junge von sexuellem Missbrauch betroffen." Eine statistische Größe, die betroffen macht, aber keineswegs von dem Arbeitskreis per Quellennachweis untermauert ist. Die Dunkelziffer ist hoch. Fachleute gehen von 300 000 sexuell missbrauchten Kindern pro Jahr aus, wie das Faltblatt angibt. In Kleingruppen gingen die 15 Teilnehmer - Vertreter von Jugendhilfeeinrichtungen und Behörden sowie Schulsozialarbeiter - brisanten Fragen nach, wie Lehrer mit dem Thema umgehen sollten, welche Möglichkeiten sie haben und wie eine Sensibilisierung für das Thema erreicht werden kann, ohne überschießende Reaktionen zu provozieren. Fragestellungen, die schon mal zu weit reichenden Ideen führten. Wie bei der Forderung einer Arbeitsgruppe, Schüler als Multiplikatoren einzusetzen, um betroffenen Kindern in Streitschlichterprogrammen einen verbalen Zugang auf gleicher Ebene zu ermöglichen. Ein Vorschlag, der nicht nur von dem Vertreter der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD), Klaus-Günter Süssmann, in Frage gestellt wurde. Er sprach sich dagegen aus, "Lehrer noch weiter in das Expertentum zu treiben" und befürwortete es, das Thema in Unterrichtsstrukturen wie Religions- oder Sexualkundeunterricht zu integrieren. Dennoch sei eine Sensibilisierung der Lehrer von Nöten, ein bis zwei Schulungen pro Jahr reichten nicht. Es müsse zumindest eine Person im Schulalltag geben, die in der Lage sei, Missbrauchsfälle aufzudecken. Die Lehrer müssten in Verdachtsfällen einen konkreten Handlungsplan haben, lauteten weitere Ziele. Das Thema solle auch in Jahrespläne aufgenommen, an Lehrer- und Schüler-Studientagen behandelt oder durch Schulsozialarbeiter aufgegriffen werden. "Soweit Sozialarbeiter dort vorhanden sind", sprach eine Teilnehmerin das Manko an. Von einer großen Diskrepanz statistischer Zahlen und tatsächlicher Fälle sprach ein Teilnehmer, der in acht Jahren Schulsozialarbeit drei Fälle sexuellen Missbrauchs erlebt hatte. "Man kann nicht von Lehrern erwarten, dass sie bei den heutigen Anforderungen etwas bemerken." Er forderte ein Frühwarnsystem, bei dem kompetente Hilfseinrichtungen von außen mit der Schule vernetzt seien. Doch dafür reichten möglicherweise die Kapazitäten nicht. "Wichtig ist, dass über das Thema geredet wird", sagte er. Klaus-Günter Süssmann versprach, bei der nächsten Schulleiterdienstbesprechung den Umgang von Schulen mit missbrauchten Kindern aufzugreifen. Denkbar sei auch, das Thema in Fortbildungskatalogen aufzunehmen. "Wenn der Arbeitskreis Fachtagungen anbietet, stehen wir vor dem Problem, dass nur die kommen, die sich ohnehin interessieren", meinte die Leiterin des Stadtjugendamts. "Warum nicht dort anfangen, wo es auf fruchtbaren Boden fällt", entgegnete Süssmann.

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