Für die Pflege zu Hause - Neues Nestwärme-Projekt soll Eltern schwerstkranker Neugeborener Sicherheit geben

Trier · Mit einem Millionenprojekt will der Verein Nestwärme sein Angebot für schwerstkranke Kinder ergänzen. Die "Ambulante Brückenpflege" zielt darauf, eine Lücke zwischen Klinik und häuslicher Intensivbetreuung zu schließen.

 Die Pflege zu Hause ist für schwerstbehinderte Kinder ein Segen. Darauf sollen Eltern mit dem Projekt Ambulante Brückenpflege intensiv vorbereitet werden. Foto: Nestwärme/Habib Hakimi

Die Pflege zu Hause ist für schwerstbehinderte Kinder ein Segen. Darauf sollen Eltern mit dem Projekt Ambulante Brückenpflege intensiv vorbereitet werden. Foto: Nestwärme/Habib Hakimi

Foto: (h_st )

Karina lacht häufig, auch wenn sie nicht auf der Sonnenseite des Lebens steht. Das Mädchen kam vor fünf Jahren auf die Welt, in der 26. Schwangerschaftswoche. Das war viel zu früh, um mit eigener Kraft leben zu können.
Eine schwere Hirnblutung eine Woche nach der Geburt hat Karina zu einem Dauerpflegefall gemacht. Denn alleine atmen kann sie auch an ihrem fünften Geburtstag noch nicht. Das Mädchen muss zu Hause täglich 24 Stunden beobachtet und gepflegt werden. Dennoch erleben die Eltern und ihre Tochter glückliche Stunden.Eltern entlasten


Für Elisabeth Schuh, Geschäftsführerin der Nestwärme gGmbH, ist diese Situation kein Einzelfall. "Die Zahl der Kinder, die in so einem kritischen Alter geboren werden, steigt beständig. Oft stürzen die Eltern in eine echte Krise, wenn die Entlassung aus dem Krankenhaus ansteht und es darum geht, eine 24-Stunden-Pflege zu organisieren."
In diese Schnittstelle zwischen Klinik und häuslicher Intensivpflege soll das neue Projekt "Ambulante Brückenpflege" passen. Dabei soll es Eltern ermöglicht werden, in einer appartementähnlichen Wohnsituation die vielen Aufgaben der pflegerischen Versorgung ihres Kindes unter fachkundiger Anleitung zu lernen. "Viele Eltern haben Angst, etwas falsch zu machen", weiß Elisabeth Schuh. "Im schlimmsten Fall werden aus Sorge um das Kind durch eine unbeabsichtigt falsche Pflege die Dinge noch schlimmer gemacht." Aber das ist ein sehr sensibles Thema. Wenn ein Kind schwer Luft bekommt, hilft es natürlich, die künstliche Beatmung zu regulieren. Die Gefahr, dass ihr Kind dadurch wesentlich schwerer das eigenständige Atmen lernt, wird dabei möglicherweise verdrängt. Auch für solche Dinge soll die Ambulante Brückenpflege ein Gespür vermitteln.

Die ersten Arbeiten für das mindestens 700 000 bis 800 000 Euro teure Projekt sollen schon im Dezember beginnen. So wird im Familienhaus am Balduinplatz die bisherige Geschäftsstelle von Nestwärme-Verein und Kinderpflege-GmbH in einen kleineren Bereich des Gebäudes umziehen.
Auf 240 Quadratmetern sollen für die Brückenpflege fünf Appartmentzimmer mit gemeinsamer Küche und Funktionsräumen entstehen. Im Frühjahr 2016 sollen die ersten Familien das Angebot wahrnehmen können.
Die Kosten für die Pflege übernehmen wie bei der häuslichen Betreuung die Krankenkassen. Die Unterkunft zahlen die Familien selbst. "Wir arbeiten seit drei Jahren an der Idee für dieses Angebot und sind vom Bedarf überzeugt", sagt Elisabeth Schuh. Die Zahl der betroffenen Kinder, die dafür in frage kommen, schätzt sie auf jährlich 60 in der Großregion.

Wenn es im Familienhaus am Balduinplatz gut läuft, könnte ein noch größeres Projekt in Angriff genommen werden. Denn der Bau eines multifunktionalen Kinderhauses für schwerbehinderte Kinder und Jugendliche auf dem Gelände der ehemaligen Kaserne Castelnau in Trier-Feyen ist ein Ziel der neuen Stiftung Rehkids von Nicole und Nick Reh. Insgesamt 500 000 Euro aus Stiftung und Privatvermögen geben dem Projekt als "Anschubfinanzierung" eine sichere finanzielle Basis. Vor allem der Spendenmarathon des Privatsenders RTL soll einen großen Teil der Projektkosten erbringen. Pate für Nestwärme ist Fußballstar Mario Götze.
Für die Eltern von Karina kommt das Projekt zu spät. "Das hätte mir vor fünf Jahren sicher sehr geholfen", glaubt ihre Mutter, die namentlich nicht genannt werden will. "Damals waren wir in einem Schockzustand und wussten nicht, wie wir mit der Situation umgehen können." Mittlerweile sei die Rund-um-die-Uhr-Pflege mit Unterstützung der Kinderkrankenpflegerinnen normaler Tagesablauf. Karina lacht viel. Sie ist glücklich bei ihrer Familie.
Nestwärme-Geschäftsführerin Elisabeth Schuh ist überzeugt, dass es so sein muss: "Die Kinder gehören nach Hause. Deshalb muss den Eltern gezeigt werden, wie das möglich ist." r.n.Extra

Das Sozialunternehmen Nestwärme e.V. Deutschland (Hauptsitz Trier) engagiert sich für Familien, in denen schwerstkranke oder behinderte Kinder zu Hause betreut werden. Zum Angebot des Vereins und der gemeinnützigen Nestwärme GmbH zählen ambulante Brückenpflege (Projekt), ambulante Kinderkrankenpflege, ambulanter Kinderhospizdienst, Fachberatung und eine inklusive Kinderkrippe. nestwaerme.de

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