Für einen Euro um die Altstadt - oder gratis

Trier · Busfahren auf einer neuen Ringlinie für nur einen Euro, wie es die Freien Wählern wollen - oder für Nutzer komplett kostenlos, wie es die Linken vorschlagen: Ideen für eine Revolution im öffentlichen Verkehr in Trier gibt es reichlich. Die Stadtverwaltung soll Realisierungschancen ausloten.

Trier. Am Hauptbahnhofs-Vorplatz in den City-Bus einsteigen und sich zum Shopping-Vergnügen oder an die Kaiserthermen chauffieren lassen - und das zum Ticketpreis von einem Euro: So stellt sich Hans-Alwin Schmitz (62) von der Stadtratsfraktion der Freien Wähler (FWG) die Zukunft des Stadtbusverkehrs in Trier vor. An die Fußgängerzone und zu den Topsehenswürdigkeiten fahren zwar auch andere Stadtwerke-Busse. Doch vom Hauptbahnhof aus geht das nicht bei allen Zielen umsteigefrei. Und erst recht nicht zum Preis von einem Euro. Aktuell kostet ein Einzelticket für die Kernzone der Stadt zwei Euro, was nach Schmitz' Einschätzung einer "unattraktiven Tarifstruktur" entspringt.Kombi aus West- und Osttrasse


Zur Förderung und Stärkung des Stadtbusverkehrs brauche Trier eine neue Busverbindung, eine in beiden Richtungen umlaufende Ringlinie und ein auf dieser Linie geltendes Sonderangebot. "Eine Fahrt mit dem City-Bus - ein Euro."
Der Streckenverlauf kombiniert die West- und Osttrasse in der Altstadt: Hauptbahnhof, Porta Nigra, Trier-Galerie, Viehmarkt, Rathaus/Theater, Südallee, Weberbach, Konstantinbasilika, Alleencenter. Parallel dazu verkehrt ein Bus in umgekehrter Richtung.
Davon würden nach Einschätzung von Schmitz nicht nur Touristen und Einzelhandelskunden profitieren, "sondern alle Busnutzer, insbesondere Schüler und Pendler.
Als weiteres Element, den Busverkehr zu fördern, bringt FWG-Stadtrat Schmitz ein "Bonus-Chip-System" ins Spiel. Hotel, Gaststätten, Einzelhändler oder Dienstleister wie Autowerkstätten könnten - "auf freiwilliger Basis" - ihre Kunden mit solchen Wertmarken belohnen ("Zum Beispiel für je 25 Euro Umsatz ein Chip im Wert von 50 Cent"). Eingelöst werden können sollen die Chips beim Kauf von Bustickets. Schmitz: "Da man den Chip im gesamten Stadtgebiet zum verbilligten oder kostenlosen Busfahren einsetzen kann, werden mehr Menschen dieses Verkehrsmittel wählen. Dadurch werden Straßen und die Umwelt entlastet."Linke: kostenloser Busverkehr


Einen völlig anderen Ansatz, mehr Menschen zu Busnutzern zu machen, verfolgt die Stadtratsfraktion der Linken. Sie will einen sogenannten "umlagefinanzierten" Busverkehr. Das heißt: Das Fahren ist gratis. Zur Deckung der Betriebskosten könnten zum Beispiel Unternehmen oder die Allgemeinheit in Form von Abgaben herangezogen werden. Susanne Kohrs (25) von der Linksfraktion im Stadtrat: "Wir möchten, dass die Verwaltung Möglichkeiten auslotet und Modelle entwickelt, wie ein umlagefinanzierter öffentlicher Personennahverkehr in Trier realisiert werden kann. Die Ergebnisse sollen dem Rat und der Öffentlichkeit vorgestellt werden."
Mit dem Prüfantrag der Linken wie dem Antrag der FWG wird sich nun zunächst der Steuerungsausschuss des Stadtrats befassen, die Stadtverwaltung ist noch nicht offiziell involviert.
Frank Birkhäuer (60), Direktor des Verkehrsbetriebs der Stadtwerke (SWT), zeigt sich auf TV-Anfrage offen: "Es sind interessante Vorschläge; teilweise greifen sie politische Anregungen vergangener Jahre erneut auf. Wir haben Unterstützung bei der Prüfung angeboten." Die Linksfraktion habe bereits im Vorfeld ihres Antrags mit dem SWT-Verkehrsbetrieb gesprochen.
Birkhäuer verweist aber auch darauf, "dass teils umfangreiche Prüfungen und Abstimmungen zum Beispiel mit dem Verkehrsverbund Region Trier erforderlich" seien. Hintergrund: Die Stadtwerke sind nur eines von 20 Unternehmen, die im regionalen Verkehrsverbund VRT zusammengeschlossen sind, der die Tarife vereinheitlicht hat.Meinung

Was Buskunden wollen
Ob Trier einen Bus-Ringverkehr braucht, ist mehr als fraglich. Wenn schon, dann müsste dieser Ring anders verlaufen als nur über die klassischen Altstadt-Routen Ost- und Westtrasse. In einem anderen Punkt aber haben die Freien Wähler völlig recht. Busfahren ist in Trier eine vergleichsweise teure Angelegenheit. Das liegt daran, dass sich die Realisierung einer gut gemeinten Idee inzwischen mehr als Fluch denn als Segen erweist. Der im Jahr 2000 gegründete VRT hat zwar die Vereinheitlichung der Tarife im regionalen Personennahverkehr gebracht, doch längst zahlen die Kunden der Stadtwerke für die wegen zurückgehender Schülerzahlen immer schwächer werdende Nutzung des Busverkehrs auf ländlichen Strecken mit. Zudem wurden attraktive Sonderaktionen wie das Stadtbus-Karnevalticket - galt von Weiberfastnacht bis Fastnachtsdienstag und kostete in den 1990er Jahren 11,11 Mark - ersatzlos gestrichen. Und an Adventssamstagen fahren Umlandbewohner und Luxemburger kostenlos per Shuttle-Bus in die City, während die Trierer weiterhin ganz normal für ihre Stadtbus-Tour zahlen. Es sei denn, sie kaufen Viererkarten. Denn die gibt's zum Preis von drei Fahrten. Das ist die einzige positive Errungenschaft der vergangenen Jahre für Trier im real existierenden VRT-Tarifgefüge. Und weil das so starr ist, sind die Vorstöße von Freien Wählern und Linken zu begrüßen. Auch wenn sie wohl keine Ringlinie und - weil völlig utopisch - erst recht keinen Gratis-Busverkehr zur Folge haben werden. Immerhin wird mal über die Bedürfnisse derer geredet, die im Gegensatz zu Auto- und Radfahrern keine große Lobby haben: die täglich mehr als 20 000 Kunden (= 45 000 "Beförderungsfälle") des Stadtwerke-Verkehrsbetriebs. r.morgen@volksfreund.de

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