Für neue Windräder läuft die Zeit ab

Schweich/Konz/Mainz · Bei der Windkraft können alle mitreden. In der Kneipe geht’s bei dem Thema oft ebenso hoch her wie in Räten, wo über Standorte, Mindestabstände und Rotmilane gestritten wird. Wenn es schlecht läuft, könnte in Teilen des Kreises Trier-Saarburg die Diskussion bald wieder von vorne anfangen.

 In allen Verbandsgemeinden im Landkreis gibt es Pläne für neue Rotoren. Ob diese Vorhaben gestoppt werden, ist derzeit offen. Foto: dpa

In allen Verbandsgemeinden im Landkreis gibt es Pläne für neue Rotoren. Ob diese Vorhaben gestoppt werden, ist derzeit offen. Foto: dpa

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Schweich/Konz/Mainz. Die Moselberge bei Mehring sind von Mainz ähnlich weit entfernt wie der Kordeler Gemeindewald oder Flächen bei Pellingen. Und trotzdem entscheidet sich in der Landeshauptstadt in absehbarer Zeit eine für viele Bürger wichtige Frage: Dürfen Windräder in Sichtweite meines Wohnzimmerfensters gebaut werden?

Die Ausgangslage: Bis zur Landtagswahl sah es so aus, als ob an mehr als einem Dutzend Stellen im Landkreis von den jeweils zuständigen Verbandsgemeinderäten Flächen zumindest geplant werden dürfen. Ob diese dann auch genehmigt werden, stand auf einem anderen Blatt. Doch nach der Wahl ist alles anders. Die Kernzonen von Naturparks sind anders als noch vor der Wahl künftig tabu. Zukünftig gelten zudem bei Anlagen von mehr als 200 Metern Gesamthöhe 1100 Meter Mindestabstand zu Dörfern (der TV berichtete).

Der Faktor Zeit: Mit dieser Neuorientierung sind möglicherweise bisherige Anstrengungen hinfällig, in den Verbandsgemeinden Flächen für Windkraft neu festzulegen. Ob dem so ist, ist am Ende nichts anderes als eine Frage der Zeit. Sollte es gelingen, früh genug eine Genehmigung der eigenen Windkraftpläne zu bekommen, geht alles klar. Ansonsten müssen einige Verbandsgemeinderäte wohl wieder fast bei null anfangen (siehe Extra). Die Windkraft ist kommende Woche beispielsweise Thema bei Verbandsgemeinderatssitzungen in Hermeskeil und in Trier-Land.

Was sich ändert: Ministeriumssprecher Joachim Winkler macht klar, dass die neuen Mindestabstände für bis zu 200 Meter hohe Anlagen 1000 Meter zu Dörfern und Städten betragen müssen. 1100 Meter sollen es sein, wenn die Anlage mehr als 200 Meter hoch ist. Über die Abstände zu Einzelgehöften ist übrigens im Verlauf der Koalitionsverhandlungen nicht gesprochen worden.

Und für welche Flächennutzungspläne gelten die neuen Zahlen? Unterm Strich offensichtlich für alle. Wohl nach der Sommerpause beginnt das Verfahren zur Fortschreibung des Landesentwicklungsprogramms IV (Lep), das fürs ganze Bundesland die Marschrichtung vorgibt. Winkler sagt, dass im Rahmen der Fortschreibung des Lep eine Öffentlichkeitsbeteiligung vorgesehen ist. Mit Beginn dieser Öffentlichkeitsbeteiligung "sind bei den in der Neuaufstellung oder in der Änderung befindlichen Flächennutzungsplänen die neuen Abstandsregeln als ,in Aufstellung befindliche Ziele' in die Planungen einzubeziehen und zu berücksichtigen". Im Klartext heißt das, dass die neuen Regeln schon beachtet werden müssen, obwohl sie noch gar nicht offiziell gelten.

Damit nicht genug. Auch bestehende Planungen müssen nach Auskunft Winklers den Zielen der Raumordnung angepasst werden. "Daraus folgt, dass bestehende Flächennutzungspläne nach dem Inkrafttreten des geänderten Lep IV die sodann rechtsverbindlichen Abstandsregeln für Windenergieanlagen übernehmen müssen und entsprechend zu ändern sind."
Wie das aussehen soll, weiß offensichtlich wohl noch niemand so richtig. Für die Verbandsgemeinde Konz, wo derzeit 800 Meter Mindestabstand gelten, könnte das heißen, dass erneut geprüft werden muss, wo Windräder gebaut werden können. Dabei ist dann auf 1000 Meter Mindestabstand zu achten.

Was planen die Kommunen? In den Verbandsgemeinden hoffen die Verantwortlichen, dass die in jahrelanger Klein- und Gremienarbeit erstellten Pläne gültig werden, ehe die neuen Abstandsregeln kommen. Deshalb werden beispielsweise die Konzer nach Auskunft von Bürgermeister Karl-Heinz Frieden alles daransetzen, dass ihr Planentwurf noch vor den Sommerferien an die Kreisverwaltung Trier-Saarburg rausgeht. Dort will man laut Pressesprecher Thomas Müller die Unterlagen zeitnah zur Begutachtung an die Struktur- und Dienstleistungsdirektion Nord weiterreichen. Diese Behörde entscheidet, wie es weitergeht. Arbeitet sie langsam, war wohl alle Arbeit umsonst. Arbeitet sie schnell, könnte die Kreisverwaltung über schon jetzt vorliegende Projekte entscheiden. Thomas Müller sagt: "Es liegen aktuell 73 Bauanträge für Windenergieanlagen vor." Bisher gibt es 95 Anlagen im Kreisgebiet.

Bürgermeister Frieden kann sich nicht vorstellen, dass aufgrund von unnötigem Warten alle bisher geleistete Arbeit für die Katz gewesen sein soll. "Dann würde es mächtig Druck geben", sagt er. Es könne nicht sein, dass eine Verbandsgemeinde einen sechsstelligen Betrag für Pläne ausgebe, die dann nichts mehr wert seien.

Im selben Boot wie Frieden sitzt beispielsweise Bernhard Busch, Bürgermeister der Verbandsgemeinde Ruwer. Auch dort ist nach vielem Hin und Her ein Planwerk herausgekommen, das neuen Raum für Windkraft beinhaltet. Aufgrund der neuen Marschrichtung aus Mainz, dass Kernzonen von Naturparks nun doch windradfrei bleiben müssen, gibt es auch in dieser VG Klärungsbedarf. Offensichtlich ist Busch die erneute Kehrtwende leid. Schon kurz nach Bekanntwerden der Pläne der neuen Landesregierung hat er den weiteren Fortgang des Verfahrens kurz und prägnant kommentiert: "Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende."Meinung

Ein Scherbenhaufen
Die Euphorie ist längst dahin. Sie ist auf dem unendlich scheinenden Abstimmungsprozess auf der Strecke geblieben, an dessen Ende die Neuausweisung von Flächen für Windräder stehen soll. Ob all die jahrelangen Bemühungen zu einem Ergebnis führen, ist noch nicht in allen Fällen sicher. Denn mit der neuen Koalition in Mainz sind die Räume für die Windkraft enger geworden. Das wird vor allem die Gegner der Rotoren freuen. Doch es ist auch offensichtlich geworden, dass die auf Langfristigkeit angewiesene Energiepolitik wetterwendisch sein kann. Und wenn bei einer nächsten Landtagswahl eine neue Koalition stärker auf den Ausbau der Windkraft setzt, dann muss erneut geplant werden. Es mag sein, dass man mit diesem Hin und Her auf Landesebene bei Wählern punkten kann. Es ist jedoch auch ein Schlag ins Gesicht all der Kommunalpolitiker, die sich in teils ermüdender Kleinarbeit auf neue Flächen für die Windkraftnutzung geeinigt haben. Man kann seine geringe Wertschätzung für die Arbeit der Kommunalpolitiker so demonstrieren. Dann darf man sich jedoch auch nicht wundern, dass sich immer weniger Freiwillige finden, die sich engagieren. h.jansen@volksfreund.deExtra

Vor allem die Pläne der Verbandsgemeinde Konz für die Windkraftnutzung unterscheiden sich von den Zielvorstellungen der Mainzer Koalition. In der VG soll ein Mindestabstand von 800 Metern zu Dörfern und Städten gelten. Ansonsten gelten im Kreis 1000 Meter. Zudem sind bei Pellingen Windräder mit einer Höhe von mehr als 200 Metern geplant. Für diese wird nach neuen Planungen ein Mindestabstand von 1100 Metern gefordert.

In den Verbandsgemeinden Kell am See und Ruwer ist derzeit geplant, Windräder in der Kernzone des Naturparks zuzulassen. Das ist künftig nicht mehr möglich. In Kell liegen beide bisher favorisierten Flächen (Zerfer Wald und Teufelskopf bei Waldweiler) größtenteils in der Verbotszone. Kein Naturpark, sondern Wasserschutzzonen könnten in Trier-Land für Änderungen sorgen. In diesen Gebieten wird Windkraft ebenfalls wohl nicht mehr genehmigt. Zudem gibt es Protest gegen eine Fläche auf der Gemarkung Franzenheim.

Widerstand gegen neue Flächen gibt es auch in der Verbandsgemeinde Schweich. Dort stehen mögliche Windräder auf den Moselhöhen in der Kritik. In der VG Hermeskeil denkt man über Platz für bis zu 30 Windräder nach. Am Montag wird es im Rat darum gehen, ob der Entwurf noch haltbar ist. Hintergrund sind neue Erkenntnisse beim Artenschutz. In der VG Saarburg sind als Windkraftstandorte unter anderem Flächen am Judenkopf (Irsch, Serrig) und bei Freudenburg im Gespräch. har

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