Furcht vor kahlen Kastanien

TRIER. In Berlin hat die Miniermotte für regelrechte Großeinsätze gesorgt. Mehrere tausend Schüler, ABM-Kräfte und Sozialhilfeempfänger haben in den Grünanlagen der Stadt das befallene Laub aufgesammelt. In Trier kennt man das Problem, bleibt aber gelassen.

Ist diese Gelassenheit angesichts der bevorstehenden Landesgartenschau im nächsten Jahr angebracht, oder steht die Stadt dann mit kahlen Bäumen dar?Wer im Herbst vergangenen Jahres genauer hingeschaut hat, konnte beobachten, wie viele Kastanien in der Stadt ihren zweiten Frühling erlebten und wieder ausschlugen. Aber: "Das ist eine Panikreaktion der Bäume, da sie schon sehr früh ihre Blätter verloren haben", erklärt Thomas Schmitt vom Biogeografischen Institut der Universität Trier.Tunnel durch das Blattinnere

Grund für die Panik der "Roten Rosskastanie" ist der Befall durch die sich seit Jahren in Europa ausbreitende Miniermotte (cameraia ohridella). Das etwa fünf Millimeter kleine Tier, das zur Familie der Schmetterlinge gehört, legt seine Eier auf den Blättern ab, in die sich die Larven dann hineinfressen. Das Zellgewebe zwischen der Blattober- und -unterhaut ist die Nahrung der gefräßigen Insekten. Sie bohren dort bis zu vier Zentimeter lange Tunnel oder Minen durch das Blattinnere. Ist ein Blatt zu stark befallen, wirft der Baum es ab. Ob die Bäume durch den kleinen Schädling absterben können, ist noch nicht bekannt.Woher die Motte kommt, ist bisher unklar. Zum ersten Mal gesichtet wurde sie 1985 am Ohridsee in Mazedonien. Von dort hat sie ihren Siegeszug über Europa angetreten und ist nun auch in Trier angekommen. Dr. Klaus Selig, ein Allgemein-Mediziner, hat bei seinen Hausbesuchen auch immer ein offenes Auge für die Natur und speziell für die Bäume. "Ich wurde stutzig, als ich blühende Kastanien, mit braunen Blättern gesehen hatte." Die von Selig bei der Universität abgegebenen Laubproben zeigten einen Befall durch die Larven der Motte.Dem Grünflächenamt der Stadt Trier ist das Problem schon seit etwa zwei Jahren bekannt. Und der Befall hat stetig zugenommen, so waren von den geschätzten 3000 Kastanien im Stadtgebiet 80 Prozent in diesem Frühherbst schon laublos. Doch eine Lösung ist noch nicht in Sicht. "Wir diskutieren verschiedene Möglichkeiten zur Bekämpfung. Der Einsatz von chemischen Mitteln in der Stadt scheidet jedoch aus, wir sind auf der Suche nach einer biologischen Methode," sagt Gerd Tholl vom Grünflächenamt.So weiß der Zuständige für die Bäume der Stadt zu berichten, dass Meisen dabei beobachtet wurden, wie sie die neue Nahrungsquelle nutzen und die Larven aus den Blättern picken. Auch eine Bestückung der Bäume mit Leimringen wurde schon angedacht.Auch der Naturwissenschaftler Schmitt von der Universität rät vom Einsatz von Chemie ab, da dadurch auch andere Schmetterlingsarten betroffen wären. "Ich würde das als übertrieben ansehen," so Thomas Schmitt, "die Natur ist ein sich selbst regulierender Prozess, man muss den Nützlingen nur eine Chance geben." Damit meint Schmitt vor allem heimische Parasiten, die von anderen Minierern auf die Motte übergehen könnten.In der Hauptstadt wird durch großflächige Sammelaktionen der befallenen Blätter und einer anschließenden Verbrennung versucht, die Mottenzahl im nächsten Jahr zu minimieren. Auch in Trier sammelt das Grünflächenamt das Laub ein, doch wird es mit anderem Laub vermischt und als Dünger im Weinbau eingesetzt. Zwar hat sich die Motte auf Kastanien spezialisiert, so dass den Weinstöcken keine Gefahr droht, doch der Verbreitung der Motte wird damit nach Ansicht von Experten möglicherweise Vorschub geleistet. So vermutet auch Schmitt, dass die ersten Larven über Kastanienblätter auf LKW in der Region Trier eingeführt wurden.Wird die Landesgartenschau mit kahlen Kastanien beginnen? "Die Gefahr besteht", sagt Gerd Tholl.

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