Ganze Dörfer wurden ausgelöscht

Trier · Gejagt, gefoltert und verbrannt: Hexenprozesse waren in aller Regel grausam und brutal. Mit unter Folter erzwungenen Geständnissen wurden viele Menschen der Hexerei bezichtigt und zu Unrecht hingerichtet. Trier hat sich nun in einem öffentlichen Gedenkakt im Lesesaal der Stadtbibliothek zur Unschuld der Verurteilten bekannt.

 In der Region Trier wurden vermeintliche Hexen mitunter in einer Brandhütte aus Reisig und Stroh hingerichtet. Foto: privat

In der Region Trier wurden vermeintliche Hexen mitunter in einer Brandhütte aus Reisig und Stroh hingerichtet. Foto: privat

Trier. Seit Jahren schon ist es Oberbürgermeister Klaus Jensen ein großes Anliegen und auch viele Trierer haben es immer wieder angeregt: Eine Gedenkveranstaltung für die zu Unrecht Verurteilten der Hexenverfolgung. In seiner Eröffnungsrede im Lesesaal der Stadtbibliothek betont Jensen: "Bei diesem Gedenkakt geht es um die Stärkung von Recht und Solidarität und um ein eindeutiges Bekenntnis zur Unschuld der Opfer der Hexenverbrennung."
Dem Beispiel anderer Städte folgend, freue er sich, dass sich nun auch Trier in Trauer und Scham dieser grausamen Vergangenheit stelle. Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, sich die Not der Opfer und das geschehene Unrecht zu vergegenwärtigen. Denn auch heute noch gebe es Verfolgungen, Folter und die Todesstrafe in mehr als der Hälfte der Länder der Welt.
Wer ist die Frau, die im Trierer Simeonstift eingesperrt und brutal gefoltert wird und sich schließlich umbringt? Oder die Frau, die der Hexerei beschuldigt von der Römerbrücke in die Mosel geworfen wird und dort hilflos ertrinkt? "Die Namen der Opfer des Hexenwahns sind meist unbekannt", weiß Rita Voltmer, Vorsitzende der Friedrich-Spee-Gesellschaft Trier, "Das war auch so gewollt. Sie wurden verbrannt, um ihre irdische Existenz vollkommen vergessen zu machen. Da man glaubt, dass sie vom Teufel besessen sind, bekamen sie auch kein Grab - die komplette Erinnerung an diese Menschen sollte ausgelöscht werden." Nur die "prominenten" Fälle erregen öffentliches Interesse. So der des Dietrich Flade, vor seiner Inhaftierung selbst richterlicher Leiter vieler Hexenprozesse.
Trier ist im 16. und 17. Jahrhundert eine Hochburg der Hexenverfolgung. Beschuldigungen der Hexerei haben jedoch selten einen religiösen Hintergrund. Tatsächlich geht es der Bevölkerung eher darum, sich an Feinden zu rächen oder sich gegen die Unterdrückung durch die Obrigkeit zu wehren. Jugendbanden jagen sie, Zunfthäuser und Kirchen verweigern einmal Verdächtigen und auch ihren Angehörigen den Kontakt oder die Messe. Sie werden gefoltert, bis sie alles gestehen - tun sie es nicht, vermutet man, dass der Teufel sie stärkt und unterstützt. Ganze Dörfer werden ausgelöscht; fast alle Einwohner sind irgendwie in die Prozesse verstrickt - als Verdächtige, Ankläger oder Zeugen.
Doch es gibt auch kritische Stimmen, die sich für die Opfer einsetzen. Der katholische Dichter und Jesuit Friedrich Spee ist einer von ihnen. So hat sein Werk "Cautio Criminalis" (1631) entscheidend zum Ende der Hexenverfolgung beigetragen. "Zwar ist es Spee nicht möglich, die Hexenprozesse öffentlich zu verurteilen, so erschien die "Cautio Criminalis" auch zunächst anonym, aber mit seinen Thesen für einen fairen Prozess und seiner Ansicht, dass mit Folter jeder Mensch zu einem beliebigen Geständnis gezwungen werden könne, will er der vorherrschenden Meinung entgegenwirken", erläutert Gunther Franz, ehemaliger Vorsitzender der Spee-Gesellschaft.
Spee äußert Kritik an den Gerichten, die jedes Geständnis wie ein Evangelium behandeln und nur aus Angst, selber der Hexerei beschuldigt zu werden, immer wieder neue Verurteilungen aussprächen. Mit den Opfern hat er Mitleid - und das ist gefährlich, denn wer Mitleid zeigt, dem droht selber der Prozess. Das sorgt auch für Angst in der Bevölkerung, weswegen die Anzahl der Akteure der Verfolgungen zwar relativ gering ist, viele Menschen aber als Mitläufer die Prozesse geschehen lassen.
In Trier und Umgebung lodern bis Mitte des 17. Jahrhunderts die Scheiterhaufen, ein Großteil der Bevölkerung wird ausgelöscht. Wie Trier es wieder zurück in die Normalität schafft? Voltmer beantwortet die Frage so: "Wie das so häufig passiert: durch Verdrängen und Vergessen. Das war nur ein trügerischer Frieden."
Auch die Besucher lässt das soeben Gehörte nicht mehr los. Beim Verlassen des Saals wird eifrig diskutiert und nicht wenige zeigen sich entsetzt über die geschehenen Grausamkeiten. Darum nehmen auch viele die Möglichkeit wahr, im Anschluss an den Gedenkakt Friedrich Spees Grab in der Jesuitenkirche aufzusuchen und ihm im stillen Gebet für seinen Einsatz zu danken.

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