Karl-Josef Hammann im Interview Schuldirektor: „Wir müssen uns nicht verstecken“

Trier-Ehrang · Ganztagsschule und G8: Der scheidende Direktor am Friedrich-Spee-Gymnasium sieht das deutsche Bildungssystem weit vorn.

 Karl-Josef Hammann verbringt seine letzten Tage als Direktor am Schreibtisch. Immer dabei: Der Sisyphos als Symbol seiner schwierigen Anfangszeit am FSG.

Karl-Josef Hammann verbringt seine letzten Tage als Direktor am Schreibtisch. Immer dabei: Der Sisyphos als Symbol seiner schwierigen Anfangszeit am FSG.

Foto: Sebastian Stein

Karl-Josef Hammann sitzt allein auf weiter Flur im Friedrich-Spee-Gymansium (FSG) - es sind Ferien und seine letzten Tage in der Schule. Seine Amtszeit als Direktor geht noch bis zum 31. Juli, dann tritt er seine Pension an. Hammann hat den Posten in turbulenten Zeiten 2012 übernommen. Das FSG stand in seiner aktuellen Form damals scheinbar auf der Kippe. Die Auflösung der gemeinsamen Orientierungsstufe mit der benachbarten Realschule plus, sinkende Anmeldezahlen und das achtjährige Abitur haben seine Zeit geprägt. Im Interview mit Sebastian Stein vom Trierischen Volksfreund spricht Hammann zu seinem Abschied über die Schulzeit, G8-Gymnasien und Investitionsstau.

Herr Hammann, welche Bilanz ziehen Sie nach sechs Jahren FSG?

Karl-Josef Hammann: Eine absolut positive, das können Sie mir glauben. Wir waren am Anfang hart an der Grenze der Existenz und jetzt haben wir in zwei aufeinander folgenden Jahrgängen Vierzügigkeit erlangt. Das ist das Maß, was man sich von Seiten des Schulträgers gewünscht hat und was ich mir als Schulleiter vorstelle.

Wie hat sich Ihr Alltag als Direktor des Gymnasiums im Laufe der Jahre verändert?

Hammann: Die erste Zeit war sehr aufreibend, weil sie sehr politisch war. Ich traf hier schon in der ersten Woche auf mächtig Gegenwind, der politisch gesät war. Man wollte eine integrierte Gesamtschule aus dem Schulzentrum machen, was mir durch Zeitungsberichte überdeutlich wurde. Ich habe schon im Laufe der ersten Woche alle Schüler auf dem Schulhof versammelt und gefragt, ob sie damit einverstanden sind.

Was haben die Schüler gesagt?

Hammann: Alle wollten den Erhalt des FSGs. Dann war mir sowieso klar, wohin die Reise geht. Ich hatte mich auch als Schulleiter eines Gymnasiums beworben - alles andere konnte nicht gelten. Es musste etwas unternommen werden und wir sind zum Rathaus marschiert und haben unseren Protest zum Ausdruck gebracht.

Die Zeiten am FSG sind also ruhiger geworden?

Hammann: Es ist ruhiger geworden, weil wir diese Konflikte innerschulisch nicht mehr zu bewältigen hatten mit Schülern, die überfordert waren und gar keine Anstalten machten, sich gymnasial unterrichten zu lassen - die am liebsten in Ruhe gelassen worden wären. Das ist seit der Auflösung der gemeinsamen Orientierungsstufe anders geworden, sehr viel ruhiger, sehr viel gymnasialer - so wie ich mir das vorstelle.

Warum haben Sie sich damals gegen eine inklusiv orientierte gemeinsame Orientierungsstufe mit der Realschule plus entschieden?

Hammann: Wir konnten es personell, materiell und ideell nicht schaffen. Aus der Hüfte geschossen ist das nicht denkbar. Wir haben in der Folgezeit wirklich Wert darauf gelegt, als integrative Schule zu gelten. Die Bedürftigen, die für unsere Schulform fähig waren, auch die Geflüchteten, haben wir aufgenommen.

Wie haben sich die Schüler unabhängig von der Reform verändert?

Hammann: Sie sind in den letzten Jahren sehr viel gymnasialer geworden, weil die Empfehlung entsprechend von den Grundschulen ausgesprochen werden. Ich erlebe junge Menschen, die mit viel Tatendrang zur Schule gehen und sehr hoffnungsvoll in die Zukunft blicken. Unsere Schülerschaft ist homogener geworden, was die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft angeht.

Sie haben Ihre damalige Bewerbung für das FSG auch mit dem Ganztagskonzept begründet. Was schätzen Sie am Konzept der Ganztagsschule?

Hammann: Ich bin ein sehr positiv eingestimmter Mensch, was Schule allgemein angeht. In einer Schule steckt mehr als sechsmal 45 Minuten am Vormittag. Schule hat ganz andere Möglichkeiten auf ihre Menschen zu wirken, sie zu verantwortlichen Bürgern zu machen und ihnen auch ein gewisses Maß an Freizügigkeit zukommen zu lassen und dort zu helfen, wo es nottut.

Warum ist das G8-Konzept am FSG geblieben, selbst nachdem andere Bundesländer an Schulen die Reform zurückgenommen haben?

Hammann: Ich habe die Geburtsstunde von G8 in Rheinland-Pfalz erlebt und sie nicht als eine fehlerhafte Situation empfunden, weil sie anders ist als in allen anderen Bundesländern. G8 ist in RLP immer mit der Ganztagsschule verknüpft worden. Wir kürzen also nicht und beschleunigen, sondern setzen mehr Zeit ein. An unserer Stundentafel kommen wir auf mehr Zeit als ein G9-Gymnasium.

Halten Sie G8 generell für einen Vorteil oder nur in der Form, wie es am FSG praktiziert wird?

Hammann: Da muss man differenzieren. Das G8-Ganztagsangebot in RLP ist im Vorteil gegenüber G8 bundesweit. Es ist schade, dass das rheinland-pfälzische Modell in Deutschland nicht so bekannt ist. Innerhalb von RLP halte ich unser Konzept für das Bestmögliche. Ich finde, da steckt die Chance zu einer ganz anderen Schulkultur drin. Aber jede Schule hat ihr eigenes Profil und versucht, das Beste daraus zu machen.

Wie ist das deutsche Bildungssystem im Vergleich für die Zukunft aufgestellt?

Hammann: Bestens. Ich habe einige Schulen in Europa kennengelernt und wir müssen uns überhaupt nicht verstecken. Wir haben unsere Hausaufgaben zu machen und müssen uns bei aller Bestrebung zur Digitalisierung noch sehr viel stärker um die Grundtechniken kümmern: Lesen, Schreiben, Sprechen und Rechnen. Diese Grundfähigkeiten müssen jungen Menschen ganz früh vermittelt werden.

Wird zu wenig Wert auf die finanzielle Ausstattung von Schulen gelegt?

Hammann: Hier im Schulzentrum wird es überdeutlich. Wir sind in einem Sanierungsstau, der ohne Weiteres nicht zu bewältigen ist. Ich kann alle verstehen, die sich bemühen, dass große Städte von der Schuldenlast befreit werden, damit sie wieder handlungsfähig werden. Die fehlenden Gestaltungsspielräume bezeichne ich als Mangelwirtschaft, nicht als Misswirtschaft. Der Stadt Trier wünsche ich diese Spielräume von Herzen - und anderen Städten auch. Denn Bildung ist absolut systemrelevant.

Nach mehr als dreißig Jahren Erfahrung: Was sollte die Schule der Zukunft beherzigen?

Hammann: Sie muss immer dafür sorgen, dass sie nach innen einheitlich zusammensteht, um nach außen geschlossen zu wirken. Aber die Schule der Zukunft ist genauso abhängig von einem Träger und von Personalzuweisungen wie die Schule der Gegenwart. In den letzten Jahren habe ich den Eindruck, dass es mehr Verantwortung derer bedarf, die selbst einmal Gymnasiast gewesen und dieser Schulform besonderen Dank schuldig sind. Dass dieses Gymnasium weiterhin gepflegt wird, wäre mein Anliegen.

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