Gassenhauer in neuem bizarren Gewand

Wer "Mafia" mit ganz eigenen Strukturen und Gesetzen verbindet, ist dem Schlüssel zu einem schrägen Musikerlebnis in der Tufa schon ganz nah. Die Kölner Saxophon-Mafia brachte dort ihre ureigenen Neufassungen von Gassenhauern aus den 20er und 30er Jahren zu Gehör.

 Brachten Gassenhauer zu Gehör: Kölner Saxophon-Mafia. TV-Foto: Anke Emmerling

Brachten Gassenhauer zu Gehör: Kölner Saxophon-Mafia. TV-Foto: Anke Emmerling

Trier. (ae) "Nur nicht aus Liebe weinen", "Frauen sind keine Engel" oder "Bei dir war es immer so schön" sind Melodien aus Revuen oder Operetten, die sich seit den 30er Jahren als Evergreens etabliert haben und von denen man daher glaubt sie zu kennen - bis man sie von der Kölner Saxophon-Mafia gehört hat. Bisweilen groteske Aufführung

Die vier Musiker Roger Hanschel, Steffen Schorn, Joachim Ullrich und Wollie Kaiser, seit über zwanzig Jahren im Jazz zuhause und bekannt für ausgefallene Klangschöpfungen, haben dieses Liedgut für ihr neues Programm eigenen Gesetzen unterworfen. "Verfremdet" ist dafür eine milde Beschreibung. Die vier Profis kreieren mit sämtlichen Instrumenten der Saxophon-Familie und ungeheurer Dynamik ein Mosaik an sinfonischen, rhythmischen und improvisierten Klangbildern, das mit Melodik und Streicherkitsch der Originale gründlich aufräumt. Auf sie weisen fast nur noch die Texte hin, die von Elodie Brochier teils gesprochen, teil gesungen werden. Das mimische Multitalent bettet sie in eine bizarre bis groteske Performance, die anfangs irgendwie neben der Musik herläuft. Brochier gibt sich mädchenhaft bis lasziv und wirft sich passend zum übergreifenden, jeder Heile-Welt-Romantik beraubten Thema "Liebe" ständig neue Schichten roter Kleidungsstücke über. Dann wieder leiht sie einer blond gezopften Puppe mit Fratzengesicht eine Plärrstimme, um "Im Salzkammergut kann man gut lustig sein" zu intonieren. Ein Zuhörer, der eher in der Erwartung instrumentaler Jazzmusik gekommen ist, fühlt sich an Zerrbilder und Überzeichnungen von Otto Dix erinnert. Ein treffender Vergleich, der auch musikalisch passt - Toleranz ist gefordert. Manche im ohnehin übersichtlichen Publikum bringen sie nicht auf und gehen in der Pause. Wer bleibt, erlebt einen zweiten Teil, in dem der Dialog zwischen Sängerin und Musikern wirklich einer ist, und in dem der teils ätzende Humor vom Anfang amüsanter Ironie weicht.

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