Geschichte Gedenkfeier in Trier mit einem besonderen Gast

Trier · Zum Jahrestag des Pogroms von 1938 erinnerten die Jüdische Kultusgemeinde und die Stadt Trier an die jüdischen Opfer. Mit dabei war die Enkelin des letzten Trierer Oberrabbiners.

 Eve Yardeni (Dritte von links), Enkelin des letzten Trierer Oberrabiners, kam mit ihrem Gatten aus Israel in die Moselstadt. Mit ihr gedachten (von links): Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Kantor Daniel Werthenschlag aus Metz und Oberbürgermeister Wolfram Leibe.

Eve Yardeni (Dritte von links), Enkelin des letzten Trierer Oberrabiners, kam mit ihrem Gatten aus Israel in die Moselstadt. Mit ihr gedachten (von links): Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Kantor Daniel Werthenschlag aus Metz und Oberbürgermeister Wolfram Leibe.

Foto: tV/FRANZISKA WONNEBAUER

Melancholischer Betgesang an der Gedenkstele der ehemaligen Synagoge in Trier. Zahlreiche jüdische und nicht-jüdische Bürger haben sich auf Einladung der Jüdischen Kultusgemeinde und der Stadtverwaltung versammelt, um den jüdischen Opfern der Pogrome von 1938 zu gedenken. Mehr als 100 Juden waren am 9. November 1938 in Trier durch die Nationalsozialisten und ihre Anhänger misshandelt, verhaftet und getötet worden. Jüdische Häuser, Geschäfte und Synagogen wurden geplündert und verwüstet. „Euer Tod mahnt unseren furchtlosen Einsatz“, heißt es auf dem Gedenkkranz, den Oberbürgermeister Wolfram Leibe und Jeanna Bakal, Vorsitzende der Jüdischen Kultusgemeinde Trier, in Stille niederlegen. Eine Botschaft, die auch während der folgenden Gedenkstunde in den Thermen am Viehmarkt eine zentrale Rolle spielte.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer mahnte in ihrem Grußwort, mit dem Anschlag von Halle habe antisemitische Gewalt in Deutschland eine neue Dimension erreicht. Deutschland habe ein „strukturelles Problem mit Rechtsextremismus“, dem es entgegenzuwirken gelte. Auch Leibe rief dazu auf, ein Zeichen gegen Antisemitismus, Hass und Intoleranz zu setzen. Höhepunkt des Programms war eine Ansprache von Eve Yardeni, Enkelin des letzten Trierer Oberrabbiners, Dr. Adolf Abraham Altmann. Dieser stand während des Ersten Weltkriegs als Feldrabbiner im Dienste Österreich-Ungarns und wurde 1920 im Alter von 41 Jahren zum Oberrabbiner der Trierer Gemeinde gewählt. Als „hervorragender“ Prediger und Lehrer unterrichtete er unter anderem am heutigen Max-Planck-Gymnasium, das damals Kaiser-Wilhelm-Gymnasium hieß. Nach der Machtergreifung Hitlers floh er im Frühjahr 1933 mit Teilen seiner Familie nach Holland, während Eve Yardenis Vater Zuflucht in England fand. Von Holland aus wurden Adolf Altmann und seine Frau in die Konzentrationslager Westerbork und Theresienstadt und schließlich nach Ausschwitz deportiert. Kurz nach seiner Ankunft starb er an den Folgen von Entkräftung und Leid. Seine Frau wurde vergast.

Bis zuletzt hatte er seinen Leidensgenossen geistliche Unterstützung geboten. Eve Yardeni, geboren 1939 in Manchester, hat ihren Großvater nicht mehr kennengelernt. Wie in vielen deutsch-jüdischen Familien wurde das schwere Thema auch von ihren Eltern „unter den Teppich gekehrt“. Erst auf ihre Nachfrage Jahre später erfuhr sie von den Gräueltaten, die Teilen ihrer Familie zugefügt worden waren. Heute lebt sie mit ihrem Mann, zwei Kindern und sechs Enkeln in Israel und nimmt mit Beunruhigung das Wiederaufleben antisemitischer Bewegungen wahr. Die Hoffnung, der Antisemitismus würde nachlassen oder aussterben, hat sie aufgegeben. Deshalb ruft sie zu Respekt und Toleranz auf. Yardeni: „Ich bete von ganzem Herzen, dass sich die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs nie in Europa oder in irgendeinem anderen Teil unserer Welt wiederholen, aber wenn doch, dass die Menschheit nicht tatenlos zusehen würde.“

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