Gegenpropaganda entfachen

Karl Marx

Zum Interview mit Professor Christian Soffel ("Das Geschenk ist Propaganda", TV vom 3. April):

Professor Soffel erschreckt mit seiner monströsen Problematisierung des chinesischen Marx-Geschenks seine Gesprächspartnerin Christiane Wolff offenbar dermaßen, dass sie ihn völlig korrekt fragt, ob er befürchte, dass durch "selbst eine noch so große Statue Trier tatsächlich kommunistisch unterwandert" werden könne. Nein, nein, da kann Soffel sie beruhigen.
Zwar kennt er seine Landsleute und geht davon aus, dass die sich durch den Anblick von Marx keinesfalls inspiriert sehen, den hiesigen politökonomischen Laden zu "hinterfragen". Sicherheitshalber plädiert er aber dafür, "die Größe der Statue so zu reduzieren, dass die Zustimmung in der Trie rer Bevölkerung groß ist". Wenn man sich erinnert, dass die unlängst vom Vervielfältigungskünstler Ottmar Hörl aufgestellten kleinen Marx-Figuren keineswegs auf "große Zustimmung" gestoßen sind, sollten die Chinesen vielleicht einen Bonsai-Marx schenken?
Was das Geschenk aus China angeht, da ist die Argumentation des Professors ein bisschen verzwickter, geht aber ungefähr so: Der Chinese besucht, sofern er sich's leisten kann, Europa und Trier. Er hat in der Schule und überhaupt daheim gelernt, dass Karl Marx eminent wichtig ist, für China und auch überhaupt. Gelesen hat er ihn nicht, da ist er in bester Gesellschaft, weil das kaum einer hat, der über ihn schwatzt, was aber weder für die Verehrung noch für die Verdammung von Marx ein Hindernis ist. Jetzt sieht er in Trier eine große Statue von Marx und wahrscheinlich den Hinweis, dass das ein Geschenk seines Landes ist.
Darob erfüllen ihn Begeisterung und nationaler Stolz, dass sein Land eine Statue Marxens bei den Langnasen aufstellen kann. Dies wiederum führt dann dazu, dass er - wieder zu Hause angekommen - rein nichts mehr "hinterfragen" kann. Wobei "hinterfragen" der euphemistische Ausdruck für "das System ablehnen" ist, was Herr Soffel offenbar sehr gerne sehen würde. Als Sinologe könnte er doch kleine Zettel kalligraphieren, so mit dem chinesischen Imperativ: "Daheim unbedingt ans Hinterfragen denken!" Und die an die Touristen verteilen und so eine mächtige Gegenpropaganda entfachen.
Rolf Richter
Schöndorf

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