Geheimnis der gespaltenen Persönlichkeit: Nach Jahrhunderten wiedervereinigter Livia-Kopf liefert Titelgeschichte von neuem Landesmuseum-Buches

Trier · Die nach jahrhundertelanger Trennung wieder zusammengefügten Hälften des monumentalen Marmorkopfes von Römerkaiserin Livia zieren den Titel des aktuellen Bandes der "Funde und Ausgrabungen" des Rheinischen Landesmuseums. Zu Recht. Denn die Wiederentdeckung war einer der archäologischen Knüller des Jahres 2014 in der Region.

 Krönender Abschluss einer langen Archäologen-Karriere: Der Luxemburger Konservator Jean Krier hat die über Jahrhunderte getrennten Hälften des 2000 Jahre alten Trierer Marmorkopfes von Kaiserin Livia wieder zusammengebracht. Hier die zusammengesetzten Kopien, die am 23. September 2014 im Rheinischen Landesmuseum präsentiert wurden. TV-Fotos (2): Roland Morgen

Krönender Abschluss einer langen Archäologen-Karriere: Der Luxemburger Konservator Jean Krier hat die über Jahrhunderte getrennten Hälften des 2000 Jahre alten Trierer Marmorkopfes von Kaiserin Livia wieder zusammengebracht. Hier die zusammengesetzten Kopien, die am 23. September 2014 im Rheinischen Landesmuseum präsentiert wurden. TV-Fotos (2): Roland Morgen

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Trier. Kaiserin Livia (58 v. bis 29 n. Chr.) war ein besonderes Kaliber von First Lady im römischen Imperium. Ihrem Gatten Augustus war sie maßgebliche Ratgeberin und hatte großen politischen Einfluss. Vor seinem Tod 14 n. Chr. errichtete Augustus ihr gewaltige Denkmäler. Erhalten geblieben sind nur Fragmente, etwa in Südfrankreich oder in Nordafrika.

Über ein lange als "ganz merkwürdig" eingestuftes Relikt verfügt das Luxemburger Nationalmuseum für Kunst und Geschichte: Die linke Hälfte eines marmornen Frauengesichts, die von 1685 bis 1887 das Bogenfeld eines Palastportals in Luxemburg geschmückt hatte. 1975 ein wertvoller Anhaltspunkt: Die Trierer Archäologin Karin Goethert (heute 72) identifizierte das vermeintliche Relief aufgrund der Frisur und anatomischer Besonderheiten als Fragment eines Portaräts von Kaiserin Livia. Wie aber war es 290 Jahre zuvor nach Luxemburg gekommen?

Naheliegende Vermutung: Ein Sammler hat das gute Stück in Italien erworben. Doch daran mochte Jean Krier (63), Konservator des Nationalmuseums, keinen Gedanken verschwenden: "Ich hatte immer das Gefühl, es stammt aus Trier." Schließlich war es Livias Gatte Augustus, der Trier gegründet hat.

Einen ersten Hinweis für die Richtigkeit seiner Vermutung erhielt Krier 2009. Bei einem Vortrag an der Uni Trier über Funde aus archäologischen Grabungen auf dem Areal der Reichsabtei St. Maximin zeigte Referentin Hiltrud Merten (57) auch das Foto eines Marmorkopf-Bruchstücks. "Ich war wie elektrisiert", erinnert sich Krier; "Das passt doch zu unserer Livia!" Richtig, wie sich 2014 herausstellte. Der Konservator brachte das Luxemburger Fragment in Trier mit dem aus Maximin zusammen und sah sich bestätigt: "Die saubere vertikale Bruchkante belegt eindeutig: Es sind die aneinanderpassenden Hälften eines rundplastisch gearbeiteten Kopfes einer Monumentalstatue. Und die hat vor 2000 Jahren in Trier gestanden."

Wenn auch wohl nie geklärt wird, wo genau und wie lange, hat Krier der zuvor eher dürftigen Beweislage dafür, dass Trier bereits kurz nach der Gründung um 17. v. Chr. echte Stadtstrukturen aufwies, ein absolut gewichtiges Argument hinzugefügt: "Der Kopf gehörte zu einer fast vier Meter hohen Livia-Kolossalstatue, die nicht irgendwo auf der grünen Wiese stand. Sie ist ein Beleg dafür, dass bereits zur Zeitenwende öffentliche Bauten nach römischem Vorbild das Bild der neu gegründeten Augusta Treverorum prägten."

Eine Erkenntnis, die die Fachwelt in Aufregung versetzte und für den frischgebackenen Ruheständler der finale Höhepunkt einer langen Archäologen-Karriere war. Über die spannende Wiederentdeckung berichtet Krier im neuen Band der "Funde und Ausgrabungen" des Landesmuseums Trier.

Die Wiedervereinigung der Porträthälften war ein Schmankerl zur 2030-Jahr-Feier der Stadt Trier am 23. September 2014. Gleichzeitig präsentierte das Landesmuseum selbst gefertigte Kopien, die als Ensemble künftig im Museumsfoyer präsentiert werden sollenExtra

 Livia auf dem Titel: Kristina Schulz, Redaktionsassistentin des Rheinischen Landesmuseums, mit Band 46 der Reihe „Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier“.

Livia auf dem Titel: Kristina Schulz, Redaktionsassistentin des Rheinischen Landesmuseums, mit Band 46 der Reihe „Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier“.

Foto: roland morgen (rm.) ("TV-Upload morgen"

Der "Funde und Ausgrabungen"-Band 46 (für 2014) enthält auf insgesamt 136 Seiten elf weitere Kapitel. Sie bieten auch Laien eine spannende Lektüre, weil die Autoren allgemein verständlich schreiben und auf Fachchinesisch weitestgehend verzichten. Themen sind unter anderem der "Eiszeitliche Höhlenbär in der Prümer Kalkmulde bei Büdesheim" (Autor: Bruno Kremer), "Marmorluxus in den großen römischen Thermen der Stadt Trier" (Michael Dodt), die "Goldenen Zeiten" zum 20. Jahrestag des Entdeckung des Trierer Goldschatzes (Anne Kurtze) und ein Nachruf auf den Historiker und Numismatiker Klaus Petry (1950-2014), der als "Gedächtnis der Stadt Wittlich" galt (Jürgen Merten). Band 46 der "Funde und Ausgrabungen im Bezirk Trier" ist für 8 Euro im Shop des Rheinischen Landesmuseums (Weimarer Allee 1) und im Buchhandel erhältlich. rm.

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