Geklaute Kleiderbügel: Kein Kavaliersdelikt

Trier · Wenn ein Gast Kugelschreiber mitnimmt, wird das von Hoteliers gerne gesehen. Doch es gibt auch Grenzen. Eine Bestandsaufnahme in der Region Trier.

 Tablet PCs, die oftmals als ?SuitePad? in den hochpreisigen Zimmerkategorien anzutreffen sind, um beispielsweise Spa-Treatments vom Zimmer aus zu buchen, werden in 5-Sterne-Hotels 5,4-mal häufiger gestohlen. Solche Tablets haben meist einen Gegenwert von etwa 400 Euro und sind daher unter den Luxus-Travellern ein beliebtes Mitbringsel. Quelle: Wellness Heaven

Tablet PCs, die oftmals als ?SuitePad? in den hochpreisigen Zimmerkategorien anzutreffen sind, um beispielsweise Spa-Treatments vom Zimmer aus zu buchen, werden in 5-Sterne-Hotels 5,4-mal häufiger gestohlen. Solche Tablets haben meist einen Gegenwert von etwa 400 Euro und sind daher unter den Luxus-Travellern ein beliebtes Mitbringsel. Quelle: Wellness Heaven

Foto: Phil Dera (co2online gGmbH)

Nicht alle Hoteliers in der Region bleiben bei diesem Thema so gelassen wie Denise Kraft-Pütter. "Bei uns passiert es nicht so häufig, dass Gäste Dinge mitnehmen", sagt die Geschäftsführerin des Nells Park Hotel in Trier. "Ich sehe das eher sportlich. Wir fühlen uns für unseren guten Geschmack geschmeichelt, wenn eine Dekoration mitgenommen wird."

Handtücher, Bademäntel, Kleiderbügel und Stifte stehen bei einer ak tuellen Befragung von mehr als 1000 Vier- und Fünf-Sterne-Hotels in Deutschland, Österreich und Italien auf den ersten Plätzen der geklauten Gegenstände (siehe Grafik). Zumindest die Stifte würde die Chefin des Vier-Sterne-Hauses im Trierer Norden sofort aus der Liste streichen. "Natürlich werden unsere Kugelschreiber mitgenommen, aber dafür liegen sie schließlich bereit." Und auch wenn dann und wann einige der mit dem Hotel-Logo versehenen Kleiderbügel verschwänden, sei das nicht so schlimm. "Es ist doch schön, wenn sich unsere Gäste dadurch immer wieder an uns erinnern."

Ähnlich sieht es auch Jeanette Burbach, die das Hotel Mosel-schlösschen in Traben-Trarbach leitet. "Glücklicherweise ist das Thema Diebstahl in unserem Haus nicht von Bedeutung", versichert sie auf Anfrage unserer Zeitung. "Sicherlich werden Regenschirme und Rucksäcke mitgenommen. Aber die sind alle gebrandet. Gerne kann unsere Werbung durchs Land getragen werden."

Gereon Haumann, Landesvorsitzender des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), kennt auch andere Stimmen. Zwar sei es aus seiner Sicht kein Diebstahl, wenn Kugelschreiber oder kleine Accessoires aus dem Bad mitgenommen würden. "Bei Handtüchern oder Bademänteln ist allerdings die Grenze überschritten. Immer mehr unserer Hotels bieten deshalb ihren Gästen an, diese Dinge zu kaufen. Seitdem geht die Zahl der Diebstähle zurück."

Reiserechtsexperte Kay Rodegra (siehe Interview) betont, dass im Grunde auch das ungefragte Einstecken kleiner Dinge wie Zahnbürsten oder Waschutensilien als Diebstahl gesehen werden kann, sofern diese unbenutzt sind. "Geöffnete kleine Duschgels oder benutzte Badelatschen kann man aber mitnehmen, da die sonst eh weggeworfen werden."

Doch zeigen Hotelmanager tatsächlich Gäste an, die Dinge entwendet haben? Zumindest bei den vom Trierischen Volksfreund befragten Betrieben wurde das verneint.

"Wir haben noch nie einen Gast für Diebstahl in Regress genommen", sagt auch Jörg Frankenbach, dem gemeinsam mit seiner Frau Jessica das Hotel Panorama in Daun gehört. "Handtücher und Bademäntel, oder auch Trockenblumen, das kommt schon mal vor. Aber insgesamt hält sich der Verlust in Grenzen." Zwar habe er davon gehört, dass in manchen Hotels bereits Flachbildfernseher verschwunden seien. Selbst habe er das aber noch nicht erlebt.

Einmal, so erzählt er, sei eine Dame am Tisch dabei beobachtet worden, wie sie Salz- und Pfeffermühle in die Tasche gesteckt habe. "Sie hat das standhaft geleugnet, als wir sie zur Rede gestellt haben. Als sie dann bezahlt hatte und gegangen war, standen die Sachen wieder auf dem Tisch."
Von verschwundenen Blumen oder Vasen berichtet auch Denise Kraft-Pütter. "Wir haben noch nie eine Anzeige deswegen gestellt, schließlich ist oft ja auch schwierig, weil wir nicht genau wissen, wer es war." Einmal, so erinnert sie sich, habe sie sich aber doch geärgert. "In einem Flur haben wir vier neue Bilder aufgehängt. Die hingen da nur einen Abend." Im Hotel Nells Park in Trier sind nun seit einiger Zeit ganz bewusst weniger Bilder zu sehen. Und auch bei Handtüchern und Bademänteln gibt es in dem Vier-Sterne-Haus mit großem Wellnessbereich weniger Versuchung für Souvenirjäger. Kraft-Pütter: "Wir haben das Thema Handtücher und Bademäntel an eine Firma vergeben. Unser Logo tragen die Sachen seitdem nicht mehr."

Im Moselschlösschen in Traben-Trarbach soll auf diese exklusive Note nicht verzichtet werden. "Wir planen einen Wellnessbereich", sagt Hotelleiterin Jeannette Burbach. "Ich bin sicher, dass dann das Thema Diebstahl auch Einzug hält. Denn gerade Bademäntel, Saunataschen und -produkte sind erfahrungsgemäß beliebte Andenken an den Aufenthalt. Und nicht jeder hält eine Bezahlung dafür für notwendig."

Wie die Studie von Wellness Heaven zeigt, ist der Wohlstand der Gäste dafür unerheblich. Im Gegenteil. So ist etwa die Wahrscheinlichkeit, dass hochwertige Fernsehgeräte aus dem Zimmer geklaut werden, bei Gästen im Fünf-Sterne-Segment 10,4-fach höher als bei Reisenden in Vier-Sterne-Hotels. Ebenso sind Kunstwerke in Luxushotels ein begehrtes Objekt der Begierde (4,5-mal höhere Diebstahl-Wahrscheinlichkeit). Auch Tabletcomputer und sogar Matratzen werden demnach in Fünf-Sterne-Häusern häufiger entwendet.

Nähsets und Kugelschreiber sind für diese Klientel wenig interessant.

Interview"Millionenschäden durch Kleindiebstähle"


Rechtsanwalt Kay Rodegra ist Dozent für Reise- und Luftverkehrsrecht an verschiedenen Hochschulen. Zehn Jahre lang war der unter anderem aus dem ARD-Morgenmagazin bekannte Jurist und Fachjournalist auch an der Universität Trier Wir haben ihn gefragt: Was darf ein Gast ohne schlechtes Gewissen mitnehmen? Wann haftet das Hotel?

Herr Rodegra, Erinnerungen an den schönen Urlaub sind vielen Reisenden wichtig. Ist das Entwenden eines Handtuchs oder anderer Utensilien durch einen Hotelgast ein Kavaliersdelikt?
KAY RODEGRA Nein, das ist es nicht. Es kann als strafbare Handlung, nämlich Diebstahl, vom Hotel zur Anzeige gebracht werden. Hotels entstehen jährlich Millionenschäden durch Kleindiebstähle, das heißt durch das Einstecken von Handtüchern, Aschenbechern, Weckern, Kissen, Gläsern, Schreibtischunterlagen, Bügeln, Bügeleisen und ähnlichen Dingen.

Gilt das auch für kleine Gegenstände wie zum Beispiel Shampoofläschchen, Duschgels oder Badelatschen?
RODEGRA Streng genommen ja, auch diese Gegenstände sind kein Geschenk zum Mitnehmen, sondern sollen während des Aufenthaltes im Hotel benutzt werden. Geöffnete kleine Duschgels und auch benutzte Badelatschen kann man aber mitnehmen, da diese ohnehin sonst weggeworfen werden.

Mit welchen Konsequenzen muss der Gast rechnen, wenn er Dinge aus dem Hotel mitnimmt?
RODEGRA Das Hotel schickt möglicherweise eine Rechnung über die mitgenommenen Gegenstände hinterher. Im schlimmsten Fall erfolgt eine Strafanzeige wegen Diebstahls. Das Hotel kann auch ein Hausverbot für zukünftige Besuche aussprechen.

Gibt es in Deutschland und anderen Urlaubsländern unterschiedliche rechtliche Regelungen?
RODEGRA Ja, jedes Land hat seine eigenen strafrechtlichen Vorschriften. Kleindiebstähle werden in anderen Ländern oftmals sehr viel härter bestraft als in Deutschland.

Wenn aus dem Hotelzimmer Wertgegenstände eines Gastes verschwinden, wer haftet dann?
RODEGRA Der Reiseveranstalter haftet in der Regel nicht, denn es verwirklicht sich beim Diebstahl das allgemeine Lebensrisiko. Klaut das Hotelpersonal, haftet der Hotelier uneingeschränkt. Ebenso haftet er, aber beschränkt, wenn ein anderer im Hotelzimmer klaut, so ist es zumindest in Deutschland. Bei einem Einbruch ins Hotelzimmer hilft im Schadensfall auch eine Hausratversicherung, wenn diese eine sogenannte Außenversicherung beinhaltet.

Müssen Gegenstände im Zimmer- oder Hotelsafe deponiert werden?
RODEGRA Wertgegenstände gehören in den Safe. Ansonsten kann dem Gast bei einem Diebstahl auch ein Mitverschulden vorgeworfen werden.

Gibt es finanzielle Höchstgrenzen für die Haftung?
RODEGRA Ja. Für Deutschland kommt Paragraf 701 BGB zur Anwendung. Der Hotelier haftet für einen Diebstahl aus dem Hotelzimmer höchstens bis zu einem Betrag von 3500 Euro, für Geld, Wertpapiere und andere Kostbarkeiten wie zum Beispiel Schmuck bis zu 800 Euro. Anders ist das natürlich, wenn das Hotelpersonal klaut. Dann haftet der Hotelier uneingeschränkt. Im Ausland sind die Haftungshöchstgrenzen unterschiedlich. Eine Haftung kann auch ganz entfallen.

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