Gelegen oder ungelegen

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut und in unserem Land durch das Grundgesetz geschützt. Es ist ein Segen, dass jede und jeder grundsätzlich die eigene Meinung zu fast allem öffentlich sagen darf. Das gefällt vielen Menschen nicht immer - ich denke zum Beispiel an den "rechten" Aufmarsch des vergangenen Samstags und das entsprechende Polizeiaufgebot.

Aber es ist gut, dass die Möglichkeiten zur Einschränkung der Meinungsfreiheit sehr eng begrenzt sind. Neben dieser grundgesetzlichen Begrenzung gibt es aber noch andere Formen der Einschränkung freier Meinungsäußerung. Es gibt Gruppen und Cliquen, die Druck auf einzelne ausüben. Es gibt die so genannte öffentliche Meinung. Es gibt Tabuthemen in vielen Lebensbereichen. Nicht selten machen schon unbequeme Fragen verdächtig. Dem setzt der Apostel Paulus ein geradezu geflügeltes Wort entgegen: "Verkünde das Wort, sei es gelegen oder ungelegen" (2 Tim 4,2). Dann spricht er von einer Zeit, in der die Menschen sich nach eigenen Wünschen immer neu die Lehrer und Lehrerinnen suchen, die den Ohren schmeicheln. Es ist ein menschliches Grundbedürfnis, in eigenen Auffassungen bestätigt zu werden oder mit der eigenen Meinung den Geschmack der Zuhörenden zu treffen, aber das darf nicht der Maßstab sein. Wo Mächtige nur noch die zu ertragen vermögen, die ihren Ohren schmeicheln, haben aufrechte Menschen mit Rückgrat schlechte Karten. Aber genau solche Menschen braucht es, weil sie mit ihrer Zivilcourage einstehen für (Meinungs-)Freiheit und Gerechtigkeit. Dazu gibt es eine unmissverständliche Aussage Jesu: "Wer für mich und mein Wort einsteht, für den werde auch ich einstehen" (vgl. Mt 10,32). Ingrid Müller, Pastoralreferentin in Trier

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