Gemeinden rund um Trier wachsen noch

Schweich/Trier · In Deutschland werden immer weniger Kinder geboren. Gleichzeitig leben die Menschen länger. Drohen uns Schrumpfung und Vergreisung der Gesellschaft? Für 2050 hat das Statistische Landesamt errechnet, dass im Landkreis Trier-Saarburg 16 Prozent weniger Menschen leben. Während Konz und Saarburg noch boomen, verliert der Hochwald schon jetzt Einwohner.

Schweich/Trier. Das Landesamt für Statistik hat gerechnet - und ist zu erschreckenden Ergebnissen gekommen: Bis zum Jahr 2050 könnte die Einwohnerzahl in Rheinland-Pfalz um ein Fünftel schrumpfen - von derzeit vier Millionen Menschen auf 3,2 Millionen. Und die Rheinland-Pfälzer werden in 40 Jahren sehr alt sein: Jeder Dritte ist dann 65 oder älter.
Zukunft der Region


Der Einwohnerrückgang soll besonders drastisch in der Südwestpfalz ausfallen, dem Landstrich zwischen Kaiserslautern und Zweibrücken. Allein die Stadt Pirmasens könnte nach der Rechnung der Statistiker 35 Prozent ihrer Einwohner verlieren.
Aber auch in der Eifel und an der Mosel wird es weniger Menschen geben, prophezeien die Mathematiker: Der Landkreis Bernkastel-Wittlich muss bis zum Jahr 2050 einen Bevölkerungsrückgang von 16 Prozent verbuchen, der Eifelkreis Bitburg-Prüm sogar von 20 Prozent. Am ärgsten trifft es den Vulkaneifelkreis: Von derzeit 61 000 Menschen wird die Einwohnerzahl auf 47 000 sinken - ein Rückgang um 23 Prozent.
Lebenserwartung steigt


"Diese Ergebnisse kamen bei der mathematischen Berechnung heraus - nicht mehr und nicht weniger", erläutert Holger Schmitt vom Statistischen Landesamt.
Die Statistiker stützten sich bei ihrer Prognose auf die Werte von heute. Für die dramatischen Ergebnisse kommen sie mit nur zwei Prämissen aus: Die Geburtenrate bleibt bei 1,4 Kindern pro Frau - um die Einwohnerzahl auf einem konstanten Niveau zu halten, muss sie bei 2,1 Kindern liegen -, und die Lebenserwartung steigt bis 2050 um sieben Jahre.
Schmitt gibt zu, dass ein Blick 40 Jahre in die Zukunft gewagt ist. Unvorhersehbare Ereignisse könnten den Trend jederzeit abmildern - aber auch verschärfen.
Dabei sieht es für den Landkreis Trier-Saarburg erst einmal gar nicht schlecht aus: Während im ganzen Land schon jetzt die Einwohnerzahlen zurückgehen, wächst der Landkreis zwischen Eifel und Hunsrück immer weiter. Sogar bei der pessimistischsten Rechnung, der sogenannten "unteren Variante", bleibt die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2020 immerhin stabil.
Trier-Saarburg trotzt dem Trend


Grund ist nicht ein nur auf den Landkreis beschränkter Baby-Boom - es sind einzig Zuzüge aus anderen Landkreisen, Regionen und Ländern, die die Einwohnerzahl in den nächsten zehn Jahren auf einem konstanten Niveau halten. Aber selbst wenn die Zuzüge weiter anhalten - ab 2020 gibt die Einwohner-Statistik nur noch eine Richtung vor: bergab. Von derzeit rund 142 000 Einwohnern könnte die Zahl bis 2050 auf 118 000 fallen.
Im Unterschied zu der Stadt Trier werden die Konsequenzen auf dem Land viel deutlicher zu spüren sein: "Das ist eine heikle Entwicklung. Können wir uns die ländliche Infrastruktur dann überhaupt noch leisten?" fragt Rüdiger Jacob, Soziologe an der Universität Trier. Jacob warnt davor, dass das Leben auf dem Land bald zu viel kosten könnte. "Bei einem Zehn-Leute-Dorf ist die Infrastruktur einfach nicht finanzierbar", erklärt der Demografieexperte. Dörfer mit nur 50 oder 60 Einwohnern müssten schon heute durch die größeren Gemeinden mitversorgt werden. "Nach der Pest und dem Dreissigjährigen Krieg sind viele Dörfer von der Landkarte verschwunden - das wird wahrscheinlich wieder so sein", sagt Jacob.
Dabei entwickelt sich der Landkreis schon heute äußerst ungleichmäßig. Während es in den Verbandsgemeinden (VG) Konz, Saarburg und Schweich einen regelrechten Boom gibt, spüren Hermeskeil und Kell schon jetzt einen deutlichen Rückgang der Einwohnerzahlen (siehe Grafik): In kleineren Gemeinden schließen Geschäfte und Kneipen, frisch erschlossene Neubaugebiete liegen brach. Müssen tatsächlich ganze Dörfer aufgegeben werden? "Es ist unsere Aufgabe, für alle Bereiche des Kreises eine leistungsgerechte Infrastruktur aufrechtzuerhalten", widerspricht Martina Bosch, Pressesprecherin der Kreisverwaltung.
Standortfaktor Luxemburg


Die VG Konz und Saarburg profitieren vor allem durch ihre direkte Nähe zum Wirtschaftsstandort Luxemburg. Schweich und Trier-Land sind per Autobahn an das Großherzogtum angebunden und liegen in unmittelbarer Nähe des Oberzentrums Trier. "Natürlich spielt das Arbeitsplatzangebot in Luxemburg für den Kreis als direkten Nachbarn eine ganz entscheidende Rolle. Momentan sind es etwa 11 500 Beschäftigte, die ihren Arbeitsplatz in Luxemburg haben", erklärt Bosch.
Doch die VG Hermeskeil und Kell sind von der Boom-Region zu weit entfernt. "Wir haben nicht den Luxemburg-Effekt - zumindest nicht so stark", erklärt Michael Hülpes, Bürgermeister der VG Hermeskeil. Die VG ist ein Gebiet, das der Wissenschaftler Jacob als "ländlich" beschreiben würde - dem also große Veränderungen ins Haus stehen. Bürgermeister Hülpes will sich dem Rückbau der Infrastruktur entgegenstellen: "Wir müssen auf jeden Fall verhindern, was von Einzelnen gesagt wird: dass die Förderprogramme auf die Oberzentren konzentriert werden."
Im Gegensatz zu Jacob sieht er auch Chancen für den ländlichen Raum: "Das Internet macht hoch qualifizierte Arbeitsplätze auch auf dem Land möglich. Und wir haben auch gewisse Funktionen - etwa die Naherholungsfunktion. Wir haben eine gesunde Natur und gesunde Luft."
Bei der Kreisverwaltung sieht man die Herausforderung des demografischen Wandels weniger im Rückgang der Einwohnerzahl, sondern mehr in den Veränderungen in der Altersstruktur. "Für den wichtigen Bereich der Pflege ist eine Strukturplanung erstellt worden", erklärt Bosch. Außerdem will der Kreis am Aktionsprogramm regionale Daseinsvorsorge des Bundes teilnehmen. "Das Aktionsprogramm ist darauf ausgerichtet, ländliche Räume dabei zu unterstützen, trotz Bevölkerungsrückgang und Alterung die Versorgung aufrechtzuerhalten", sagt Bosch. Auch Aktionen wie die Wettbewerbe "Lebendige Dörfer" oder "Familienfreundliche Betriebe" befassen sich mit dem demografischen Wandel.
Ziel: Effekt abmildern


Wie genau das Leben auf dem Land in 40 Jahren aussehen wird, das weiß niemand. Aber es wird anders sein als heute: "Wir können den Effekt nicht abwenden, höchstens abmildern", das gibt auch VG-Bürgermeister Michael Hülpes zu. Und der Statistiker Schmitt kann das nur bestätigen: "Der Effekt hat sich im Jahr 2004 eingestellt. Seitdem nimmt die Bevölkerung in Rheinland-Pfalz ab."
Der TV nimmt in einer Serie die Entwicklungen und Prognosen für die Städte und Verbandsgemeinden im Landkreis Trier-Saarburg unter die Lupe.

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