Mutmacher Gemeinsam musizieren trotz Corona

Zemmer/Trier · Leere Probenräume, abgesagte Auftritte: Seit Wochen müssen Musiker auf gemeinsames Spielen verzichten. Zumindest räumlich, denn die Möglichkeit, aus einzelnen Clips ein Video zu schneiden, nutzen immer mehr Gruppen.

 Das Foto (Screenshot) stammt von der offiziellen Facebook-Seite des Musikvereins Zemmer.

Das Foto (Screenshot) stammt von der offiziellen Facebook-Seite des Musikvereins Zemmer.

Foto: Anja Theis/Screenshot: Anja Theis

„Von 100 auf 0 komplett runtergefahren.“ So beschreibt Cornelia Blesius die Auswirkung der Corona-Krise auf das Vereinsleben. Sie ist seit 2009 die Erste Vorsitzende des Musikvereins Zemmer. Am 8. März hatten die Musiker ihre vorerst letzte Probe. Seitdem keine Auftritte, keine Veranstaltungen, auch die Konzertvorbereitung wurde eingefroren.

Gerade die Verschiebung des großen Konzerts zum 50. Jubiläum trifft den Verein hart. „Wir sind ein sehr lebendiger Verein, ein Verein, in dem die Gemeinschaft großgeschrieben wird. Wenn wir in so einer tollen Vorbereitung stecken, so ein tolles Konzertprogramm haben, und dann von jetzt auf gleich gar nichts mehr geht, das war echt bitter“, erzählt Blesius.

Auftrittsausfälle und somit finanzielle Einbußen müsse der Verein irgendwie aushalten. Viel schlimmer seien jedoch die fehlenden persönlichen Treffen. Gemeinsame Proben, sich sehen, ein bisschen Quatsch zusammen machen, musizieren, darauf müssen die Zemmerer vorerst verzichten. „Das tut eigentlich noch mehr weh als die fehlenden Einnahmen.“

Die bundesweite Aktion „Ode an die Freude“, bei der Musiker auf dem heimischen Balkon „zusammen“ spielen, hat den Verein inspiriert, trotz Corona weiter Musik zu machen. Da zwei Vereinsmitglieder technisch versiert sind, entstand die Idee eines Musikvideos.

Dirigent Patrik Sänger gab dabei das Tempo des bei den Musikern bekannten Stücks „Klänge aus dem Alpenland“ an. Mit „Metronom im Ohr“ hat jeder Teilnehmer seine eigene Stimme vor der Webcam zu Hause eingespielt. Die Einzelvideos wurden im Anschluss in mühevoller Kleinarbeit aufbereitet und übereinandergelegt. Etwa 40 Stunden Arbeit sind in das Endergebnis geflossen, das für alle Beteiligten eine besondere Erfahrung war. „Es war wirklich lustig, die eigene Stimme zu spielen, ohne die anderen Musiker“, schmunzelt Blesius.

Mit dem Video hat der Musikverein die #flattenthecurve-blasmusikrocks-Challenge ins Leben gerufen und setzt damit ein klares Zeichen. „Wir unterstützen die Aktion ‚Flatten the curve’, es ist uns wichtig zu zeigen, dass die Maßnahmen wichtig sind und wir sie unterstützen, wir wollen aber trotzdem Musik machen“, erklärt Blesius. Im Rahmen dieser Challenge werden andere Vereine auf Facebook nominiert und zum Musizieren animiert. „Wir wollten andere Musikvereine motivieren auch so was zu machen.“

Mit mehr als 700 Aufrufen innerhalb von drei Tagen ist die Resonanz sehr positiv. Ein weiteres Musikvideo, diesmal mit verschiedenen Tempi, sei bereits in Planung. Einerseits, um das Vereinsleben aufrechtzuerhalten, andererseits, um nach außen hin ein Zeichen zu setzen: „Es ist halt jetzt so und man muss das Beste draus machen. Dieses Video und auch die Beiträge auf Facebook sollen zeigen: Es gibt uns noch, wir sind lebendig, und wir sind da. Es dient auch ein bisschen der Aufmunterung, dass die Leute was zum Schmunzeln haben.“

Freude will in diesen schwierigen Zeiten auch Ulrich Krupp verbreiten. Er leitet das Orchester am Angela-Merici-Gymnasium in Trier und hatte sich für Ostern etwas Besonderes überlegt: ein Musikvideo als Ostergruß für Schülerinnen, das Kollegium und Freunde der Schule. Das Arrangement des Volkslieds „Der Winter ist vergangen“ hat Krupp zum Ausdrucken in einer Dropbox hinterlegt und die einzelnen Spuren der Musikerinnen nach Aufnahme zusammengeschnitten.

Die letzten Wochen waren besonders für die Abiturientinnen hart. Kein Abiball, kein Jahreskonzert. Darauf hatten sich die Musikerinnen besonders gefreut. „Das Orchester ist bei uns eine ganz stark zusammengewachsene Gemeinschaft. Wir machen das traditionell immer so, dass die Zwölfer eine richtige Verabschiedungszeremonie mit extra einstudierten Stücken für die Abiturientinnen vorbereiten.“ Doch dies war durch die Schulschließungen nicht mehr möglich. „In den acht, neun Jahren werden die Mädchen richtige Freundinnen. Das tat vielen leid.“ Am letzten Schultag wurden die Abiturientinnen mit einer langen Probe verabschiedet, in der sie das Konzertprogramm nur für sich gespielt haben. „Das war ziemlich tränenreich“, erinnert sich Krupp.

Als Alternative für persönliches Musizieren sieht der Orchesterleiter das Musikvideo nicht. „Die ganzen Programme, mit denen man konferieren kann, lassen nicht zu, dass man in Echtzeit zusammen Musik macht. Dafür sind die Verzögerungen einfach viel zu groß.“ Trotzdem möchte der Mathe- und Musiklehrer mit seiner Aktion ein Zeichen setzen und dazu aufrufen, durchzuhalten. Damit bald auch wieder live musiziert werden kann.

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