Gemeinsam spielen von Anfang an

TRIER. Eine integrative Krippe für behinderte, kranke und gesunde Kinder bis zum Alter von drei Jahren: Das könnte in Trier als rheinland-pfälzisches Pilotprojekt Realität werden. Der Verein "Nestwärme" will noch in diesem Jahr die Voraussetzungen schaffen.

 Im Kindergartenalter ist die Integration von behinderten, kranken und gesunden Kindern längst Realität. Für Kinder im Krippen-Alter fehlen bislang entsprechende Angebote. Das soll sich in Trier nun ändern.Foto: dpa

Im Kindergartenalter ist die Integration von behinderten, kranken und gesunden Kindern längst Realität. Für Kinder im Krippen-Alter fehlen bislang entsprechende Angebote. Das soll sich in Trier nun ändern.Foto: dpa

Fröhlich sitzt die kleine Angelina auf dem Schoß ihrer Mutter. Lebhaft suchen die Augen Kontakt mit der Umwelt. Ein fast idyllisches Bild, wären da nicht die vier riesigen, mit einer Art Brei gefüllten Spritzen, die die Mutter in beachtlichem Tempo in einen kleinen Schlauch pumpt, der aus der Kinderkleidung herauslugt. Angelina ist ein "Nestwärme"-Kind, eines von vielen in der Region, die aufgrund einer schweren Krankheit oder Behinderung besondere Hilfe brauchen. Ein seltener Defekt verhindert, dass das 17 Monate alte Mädchen auf natürlichem Weg schlucken kann. Es dauerte Monate, bis die Eltern nach einer Odyssee bei Ärzten und Kliniken Gewissheit hatten. Inzwischen macht Angelina Fortschritte, kann alleine sitzen, nimmt auch schon mal Nahrung auf natürlichem Weg zu sich. Aber Betreuung braucht sie trotzdem rund um die Uhr. Ihre Mutter, Angestellte bei einem großen Energie-Unternehmen, würde gerne in bescheidenem Teilzeit-Rahmen wieder arbeiten. Ein derzeit utopischer Wunsch. Nirgendwo im Lande gibt es Institutionen, die pflegebedürftigen Kindern bis zu drei Jahren eine Unterbringungsmöglichkeit bieten. "Die Familien sind ganz auf sich allein gestellt", sagt Elisabeth Schuh von "Nestwärme e.V." Dabei sei es für Eltern wie Kinder sinnvoll, verschiedene Optionen zu haben. Für die ohnehin belasteten Eltern seien ein paar Stunden am Tag, an denen man "sich auch mal auf etwas anderes konzentrieren kann als auf das Kind", enorm wichtig. Und das Kind profitiere von einem frühzeitigen engen Kontakt mit Gleichaltrigen. Nach "jahrelangem Reifungsprozess" (Nestwärme-Vorsitzende Petra Moske) will der Verein nun Nägel mit Köpfen machen und in Trier eine integrative Krippe einrichten. Die Voraussetzungen sind denkbar günstig. Im ehemaligen Gebäude der Eisenbahn am Balduinsbrunnen stünden geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung. Die Triwo will dort mehreren Sozial- und Familien-Organisationen eine Heimstatt bieten. "Wir sind mit Nestwärme schon sehr weit bei der Planung", bestätigt Triwo-Chef Peter Adrian. Drei Gruppen für jeweils acht Kinder könnten dort Platz finden. Pro Gruppe stünden zwei Plätze für Kinder mit hohem Betreuungsbedarf zur Verfügung, und zwei weitere für kranke oder behinderte Kinder mit geringerer Versorgungs-Intensität. Die Hälfte der Plätze bliebe für Kinder ohne Behinderung - angesichts des notorischen Mangels an Krippenplätzen in Trier ein höchst willkommenes Angebot für junge Eltern. Die Nestwärmler haben es bereits geschafft, den Kreis Trier-Saarburg für die Sache zu begeistern. Landrat Schartz habe die Idee "zu einem persönlichen Anliegen gemacht", schwärmt Petra Moske. Der Kreis-Ausschuss hat inzwischen grünes Licht gegeben, die Kosten für eine der drei Gruppen von Seiten des Kreises zu übernehmen - samt dem notwendigen Zusatz-Pflegepersonal. 120 000 Euro nimmt der Kreis dafür in die Hand. Alles hängt am Votum der Stadt Trier

"Eine sinnvolle Sache", sagt Amtsleiter Hubert Ludwig, weist aber darauf hin, dass die Eltern entsprechend der eigenen Möglichkeiten Beiträge beisteuern müssen. "Im ersten Quartal 2007" will er anfangen. Das wäre auch im Sinn von Nestwärme, stünde doch bis Ende 2006 noch ein Anschaffungs-Zuschuss der SWR-"Herzenssache" von 30 000 Euro zur Verfügung. Bei dieser Rechnung fehlt allerdings noch der Wirt. Die Stadt Trier müsste das Projekt gleich nach der Sommerpause in ihre Planung aufnehmen und die Zuschüsse für die beiden anderen Gruppen sicherstellen. Der zuständige Dezernent Georg Bernarding will den Planungsrahmen für Nestwärme schaffen, verweist aber darauf, dass sein Dezernat nicht über die nötigen Mittel verfüge. Da müsse schon der Stadtrat einen Finanzierungsbeschluss fassen. Vielleicht hilft da die OB-Wahl im September. Der unabhängige Kandidat Klaus Jensen hat jedenfalls schon mal seine Unterstützung für diese "richtige und wichtige Einrichtung" angekündigt.

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