Gericht will drittes Baumgutachten

Trier · Der Prozess um das tödliche Baumunglück vom November 2012 in Trier geht in die Verlängerung: Das Gericht will mit einem dritten Gutachten klären lassen, warum die Kastanie umgestürzt ist.

 Gutachter Hans-Joachim Schulz (rechts) vor dem Baum, der im Rautenstrauchpark vor knapp zwei Jahren eine Frau erschlug. Nun soll ein dritter Sachverständiger die Ursache des Unglücks klären. TV-Foto: F. Vetter

Gutachter Hans-Joachim Schulz (rechts) vor dem Baum, der im Rautenstrauchpark vor knapp zwei Jahren eine Frau erschlug. Nun soll ein dritter Sachverständiger die Ursache des Unglücks klären. TV-Foto: F. Vetter

Trier. Überzeugt davon, dass ein drittes Gutachten die gewünschte klare Erkenntnis bringt, ist Richter Peter Egnolff nicht. "Aber wir wollen alle Möglichkeiten nutzen um aufzuklären, wie es zu dem Unglück kommen konnte", sagte der Vorsitzende der siebten Kammer des Trierer Landgerichts beim gestrigen Verhandlungstag. In dem Berufungsprozess waren zuvor gegensätzliche Gutachten gehört worden: Der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Sachverständige Martin Pfeiffer hatte erklärt, dass am oberirdischen Baumstamm klar zu erkennen gewesen sei, wie sturzgefährdet die Kastanie war, die im November 2012 im Rautenstrauchpark umkippte, eine Frau erschlug und einen weiteren Passanten schwer verletzte. Der vom Angeklagten beauftragte Gutachter Hans-Joachim Schulz hatte dagegen konstatiert, dass die Bruchstelle unter der Erdoberfläche gelegen habe und der schlechte Zustand des Stamms daher nicht direkt erkennbar gewesen sei.
"Die Lage ist damit völlig offen", sagte Richter Egnolff. Eine Verurteilung des angeklagten Gärtnermeisters, der im Rathaus für die Kontrollen der städtischen Bäume zuständig war, sei "derzeit genauso wahrscheinlich wie ein Freispruch". Ein weiteres Gutachten berge die Chance, entscheiden zu können, ob der Baumkontrolleur die Sturzgefahr voraussehen konnte.
Richter Egnolff schlug am Mittwoch zunächst einen Sachverständigen aus Dresden als dritten Gutachter vor. Rechtsanwalt Ottmar Schaffarczyk, der als Nebenkläger den Mann vertritt, der unter der Kastanie schwerstverletzt geborgen werden konnte, beantragte dagegen, Claus Mattheck zu berufen, Physikprofessor an der Karlsruher Universität und Baumexperte. Nach längerer Beratungszeit ging das Gericht auf diesen Vorschlag ein. "Offenbar ist Herr Mattheck höher qualifiziert als der von uns ins Auge gefasste Gutachter", erklärte Egnolff.
Roderich Schmitz, Verteidiger des angeklagten Gärtnermeisters, war damit nicht einverstanden: "Herr Mattheck hat bereits mehrfach öffentlich - unter anderem im Fernsehen - geäußert, warum seiner Meinung nach die Kastanie umgefallen ist, obwohl er den Baum nicht gesehen hat. Er könnte befangen sein." Tatsächlich gelten Mattheck und der zuvor von der Verteidigung beauftragte Gutachter Schulz in der Baumexperten-Szene als Gegner. Schulz sitzt dem Ausschuss vor, der die Richtlinien erstellt hat, nach denen bislang die meisten Kommunen in Deutschland ihre Bäume kontrollieren, Mattheck hat ein eigenes Diagnoseverfahren entwickelt. Bereits kurz nach dem Baumunglück im November 2012 hatte Schulz im Interview mit dem TV erklärt, dass der Kastanienstamm unmittelbar unterhalb der Erdoberfläche abgebrochen sei. Mattheck hatte sich daraufhin in der TV-Redaktion gemeldet und dabei deutlich durchblicken lassen, dass er Schulz\' Theorie nicht zustimme. Sowohl Schulz als auch Mattheck gingen damals bei ihrer Beurteilung lediglich von Fotos aus, die von dem umgestürzten Stamm gemacht worden waren.
Mit Verweis auf seine mögliche Gutachtertätigkeit wollte sich Mattheck gestern auf TV-Nachfrage nicht zur Angelegenheit äußern. Am Montag will das Gericht über die Gutachtenvergabe entscheiden.Extra

Freispruch oder Geldstrafe - das ist nicht nur für den Angeklagten entscheidend. "Der Prozessausgang ist auch ausschlaggebend dafür, wie erfolgreich die anschließenden zivilrechtlichen Verfahren sind", erklärt Rechtsanwalt Schaffarczyk. Bei einem Freispruch müsse die Schuldfrage bei möglichen Schmerzensgeld- und Schadensersatzforderungen neu aufgerollt werden. "Insgesamt geht es da immerhin um eine sechsstellige Summe, die die Geschädigten geltend machen könnten", sagt Schaffarczyk. woc

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