Musik Gemeinsam singen? Weiterhin nur digital

Pluwig · Ronny Lang aus Pluwig hat gemeinsam mit mehr als 50 Sängern einen Song aufgenommen. Danach, hoffte er, wieder unterrichten zu können, so wie Kollegen 30 Kilometer entfernt. Bisher vergeblich.

 Nur auf dem Bildschirm können derzeit in Rheinland-Pfalz Sänger gemeinsam musizieren. Im Saarland sieht das inzwischen anders aus.

Nur auf dem Bildschirm können derzeit in Rheinland-Pfalz Sänger gemeinsam musizieren. Im Saarland sieht das inzwischen anders aus.

Foto: Katja Bernardy

Kulturschaffende leiden unter der Corona-Krise. So auch Sänger und Gesangslehrer Ronny Lang. Vor der Pandemie gingen täglich Schüler bei ihm ein und aus: Anfänger, die an ihrer Stimme feilen, Musiker aus lokalen Bands oder Promis wie Saltatio Mortis. Doch inzwischen ist es still im Studio in Pluwig.

Schlimm für Lehrer und Schüler: Für den Lehrer, weil er Musik braucht, wie sein tägliches Brot und weil letzteres bedroht ist. Doch Lang hatte Glück: Niemand sei abgesprungen, sagt er. Verträge laufen weiter, die Existenz ist gesichert – erst einmal. Aber das Unterrichten fehlt ihm. „Musik tut der Psyche gut und es ist erwiesen, dass Singen das Immunsystem stärkt“, sagt er. Das könnten alle zurzeit gut gebrauchen.

Eine Schülerin hatte die Idee, einen virtuellen Chor zu gründen und gemeinsam Musik zu machen. Der Gesangslehrer spielte mit. Exakt 54 Schüler, die meisten aus der Region Trier, einige aus Städten wie Düsseldorf und Wiesbaden, sangen „We are the world“ (USA for Africa), jeder für sich zu Hause, meist vor dem Mikrofon und der Kamera des Smartphones.

Eine der Sängerinnen ist Anette Müller-Bungert. „Es war eine Herausforderung, sich selbst singend aufzunehmen“, sagt sie. Jetzt sei sie froh, Teil des virtuellen Chors aus Sängern, die sich vorab nicht kannten, zu sein. Innerhalb von fünf Wochen hat Ronny Lang die Datenflut verarbeitet und das Gänsehaut- Musikvideo arrangiert. „Ein tolles Zeichen des Zusammenhalts, durch die wunderbare Kraft der Musik“, kommentiert er das Ergebnis und sagt, dass er mächtig stolz auf seine Schüler sei.

Glücklich war er auch, als er hörte, dass 30 Kilometer weiter Kollegen im Saarland seit Anfang Mai wieder unterrichten, mit Abstand und unter Hygienevorschriften. Abstandhalten ist in seinem Studio ohnehin kein Problem: Schüler singen in einem abgetrennten Raum, sie sehen den Lehrer durch eine Glasscheibe. Optimal für Zeiten wie diese. Doch Fehlanzeige. Gesangsunterricht ist anders als im Nachbarbundesland in Rheinland-Pfalz verboten. So steht es in der sechsten Corona-Bekämpfungsverordnung.

Antonia Sanke, Chefin vom Dienst des Corona-Kommunikationsstabs der Landesregierung erläutert, die Infektionswege des Coronavirus seien nicht abschließend geklärt. Es müsse davon ausgegangen werden, dass infektiöse Tröpfchen und Aerosole, „also Schwebepartikel, die Coronaviren enthalten“, auch in der Luft, die Infizierte ausatmeten, für längere Zeit erhalten blieben. Beim Singen würden nach derzeitigem Stand der Wissenschaft zum einen besonders viele Aerosole ausgestoßen und beim Einatmen besonders viele aufgenommen. Demnach sei die Ansteckungsgefahr besonders hoch. Weiter sagt Sanke, eine hohe Viruslast bei Infektionsbeginn könne die Schwere einer Covid-19-Erkrankung negativ beeinflussen.

Offenbar beruht die Entscheidung, Gesang in Rheinland-Pfalz zu verbieten und dem Saarland zu erlauben, auf unterschiedlichen wissenschaftlichen Forschungsergebnissen.

Woran orientiert sich das Land Rheinland-Pfalz? Sankes Kollegin Sina Bär sagt auf Nachfrage, der Übertragungsweg des Coronavirus sei nicht abschließend geklärt. Viele Einschätzungen, auch von Experten, seien vorläufig und könnten sich widersprechen.

„Die Entscheidung zum Gesangsunterricht ist daher nicht ausschließlich wissenschaftlich begründet und wurde insofern auch nicht aus bestimmten Studien abgeleitet“, sagt Bär.

Es sei nach Abwägungen entschieden worden, an diesem Punkt besonders vorsichtig zu sein und den Gesangsunterricht zunächst von den Öffnungen auszunehmen.

Ronny Lang ist verzweifelt und spricht von Willkür. Auch sein Schreiben an den Landrat des Kreises Trier-Saarburg blieb erfolglos. „Wir sehen derzeit keine Möglichkeit, in ihrem Sinne zu entscheiden“, steht in der Antwort darauf.

Lang hätte sich gewünscht, dass sich ein Mitarbeiter des für Pluwig zuständigen Ordnungsamts sein Studio anschaut. Dort bleibt es vorerst still. Zumindest meist.

Lang arbeitet an einem weiteren Song. Ohne Musik kann er wie viele Menschen nicht sein.

Der Song, den Lang und seine Musikschüler aufgenommen haben,
ist zu finden unter www.facebook.com/
thevoicefinder.de.ronnylang/
videos/763579467505223/

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