Geschichte um 16 Jahre korrigiert

Trier/Gusterath-Tal · Jahrzehntelang galt Hellmuth Lemm als Gründer der Schuhfabrik Romika. Doch aus der Taufe haben andere die Firma gehoben: Hans Rollmann, Carl Michael und Karl Kaufmann. Sie waren Juden und von den Nazis systematisch aus dem Unternehmen gedrängt worden. Der Trierer Autor Heinz Ganz-Ohlig hat die Geschichte der Firma um diesen Punkt ergänzt.

Trier/Gusterath-Tal. Vor fünf Jahren gab es Grund zum Feiern: Nach der Insolvenz 2005 begann die Romika Shoe GmbH 2007 in Trier wieder mit der Schuhproduktion. In den Reden zur Eröffnung hieß es damals, dass der Schuhhersteller Romika vor 70 Jahren mit Gummistiefeln und Hausschuhen gestartet sei. Als Firmenvater galt Hellmuth Lemm.
Zeitzeugin Anna Maria Körholz sandte auf die Berichterstattung im Trierischen Volksfreund hin einen Leserbrief ein. Darin schrieb sie, dass die Romika nicht seit 70 Jahren bestehe, sondern mindestens fünf Jahre älter sei. Das weckte das Interesse von Heinz Ganz-Ohlig. Er begann zu recherchieren: Er wälzte amerikanische Telefonbücher, studierte Todesanzeigen im Internet, stöberte in Archiven, traf sich mit Anna Maria Körholz und führte zig Telefonate. "Ich habe ein Jahr in Jerusalem studiert und beschäftigte mich zum Zeitpunkt, als der Leserbrief erschien, gerade mit dem Schicksal einer jüdischen Familie aus meiner Geburtsstadt Hermeskeil", sagt der 55-Jährige. "Ich wollte auch wissen, was in Gusterath-Tal passiert war." Vier Jahre später hält Ganz-Ohlig ein 220-seitiges Manuskript in Händen, in dem die Geschichte der Firma Romika mit ihrem richtigen Anfang zu lesen ist.
Am 29. Dezember 1921 hatten die Kölner Schuhfabrikanten Hans Rollmann, Carl Michael und Karl Kaufmann die Schuhfabrik Romika gegründet. Der Firmenname setzt sich aus den jeweils beiden Anfangsbuchstaben ihrer Nachnamen zusammen - Ro-Mi-Ka. Weil sie jüdischen Glaubens waren, erlitten Hans Rollmann und Karl Kaufmann ein tragisches Schicksal: Die Nazis hatten die Firmengründer systematisch aus dem Unternehmen gedrängt. Darauf folgte der Konkurs der Firma - und der Aufschwung: 1936 wurden Hellmuth Lemm als kaufmännischer Geschäftsführer und der Schwede Franz von Holmblad als technischer Geschäftsführer der Auffanggesellschaft Romika GmbH eingestellt. Karl Kaufmann war mit Frau und Kindern nach Palästina geflohen. Hans und Marie Rollmann, Eltern von drei Söhnen, haben sich aus Angst vor der Ergreifung durch die Nationalsozialisten im Mai 1940 das Leben genommen. "Der bewegendste Moment der Recherche war das einstündige Telefonat mit der Schwiegertochter von Hans Rollmann", sagt der Autor. Die Wunden seien auch bei den Nachkommen noch sehr tief. Ein minimaler Beitrag zur Heilung: Auf der Internetseite der Firma ist die Geschichte um dieses Kapitel ergänzt worden. Sie beginnt nun 1921. Die Verbandsgemeinde Ruwer und die Ortsgemeinden Gusterath und Gutweiler erinnern nun ebenfalls auf einer Informationstafel am Ruwer-Hochwald-Radweg an die Verfolgung der jüdischen Firmengründer. katExtra

 Die Schuhfabrik Romika mit dem neu gebauten Konfektionsgebäude kurz nach der Fertigstellung 1929 in Gusterath-Tal (links). Heinz Ganz-Ohlig die Firmengeschichte der Romika recherchiert. Fotos: Rheinisches Bildarchiv/Katja Bernardy

Die Schuhfabrik Romika mit dem neu gebauten Konfektionsgebäude kurz nach der Fertigstellung 1929 in Gusterath-Tal (links). Heinz Ganz-Ohlig die Firmengeschichte der Romika recherchiert. Fotos: Rheinisches Bildarchiv/Katja Bernardy

Das Buch "Romika - Eine jüdische Fabrik" erscheint Ende November in der Schriftenreihe des Emil-Frank-Instituts im Paulinus-Verlag. Es wird mit finanzieller Unterstützung der Verbandsgemeinde Ruwer in Zusammenarbeit mit den Ortsgemeinden Gusterath und Gutweiler, der Sparkasse Trier, der Romika Shoes GmbH und der Landesarbeitsgemeinschaft der Gedenkstätten und Erinnerungsinitiativen zur NS-Zeit in Rheinland-Pfalz gedruckt. kat

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