Geschichtsunterricht direkt am Objekt

Trier · Schüler des Auguste-Viktoria Gymnasiums erforschen im Auftrag des Ortsbeirats Trier-Mitte/Gartenfeld ein dunkles Trierer Kapitel: Untersucht wird die Geschichte des Rindertanzplatzes während der NS-Zeit - damals ein Ausgangspunkt für Judendeportationen.

 Helfen bei den Vorarbeiten für eine Gedenkstätte: die Schüler des AVG-Leistungskurses Geschichte vor der heutigen, einfachen Gedenktafel am Haus Fetzenreich; links Geschichtslehrerin Claudia Nosper. Tv-Foto: Friedhelm Knopp

Helfen bei den Vorarbeiten für eine Gedenkstätte: die Schüler des AVG-Leistungskurses Geschichte vor der heutigen, einfachen Gedenktafel am Haus Fetzenreich; links Geschichtslehrerin Claudia Nosper. Tv-Foto: Friedhelm Knopp

Trier. Die Neugestaltung des Rindertanzplatzes im Trierer Zentrum ist seit Jahren im Gespräch, ohne dass sich bisher etwas Konkretes getan hätte. Was viele heute nicht mehr wissen: Dieser Platz spielte in der NS-Zeit eine düstere Rolle. Dort stand das "Bischof-Korum-Haus", 1931 von der Kirche als Treff für katholische Jugendverbände errichtet. 1937 zogen die Nazis mit ihrer Hitler-Jugend ein, und ab 1942 diente das Haus als Sammellager für jüdische Frauen und Kinder. Sie mussten dort auf ihre Deportation warten, während die jüdischen Männer bis zum Abtransport in die damalige Trierer Haftanstalt an der Windstraße (heute Diözesanmuseum) gesperrt wurden. In den 1970er Jahren fiel das Haus - ein architektonisch misslungener "Kasten" - dem Abrissbagger zum Opfer. Wie auch immer eine Neugestaltung des Rindertanzplatzes aussehen könnte - der Ortsbeirat Trier-Mitte/Gartenfeld strebt dort die Errichtung einer Gedenkstätte an (der TV berichtete).
Erste Ergebnisse im Februar


Erste Vorarbeit für das Projekt leisten derzeit 17 Schüler im nahen Auguste-Viktoria-Gymnasium (AVG). Der Leistungskurs Geschichte der elften Klassenstufe erforscht und dokumentiert im Auftrag des Ortsbeirats die Geschichte des Platzes vor mehr als 70 Jahren und das Schicksal der dort zusammengetrieben und dann deportierten Menschen. Der Ortsbeirat unterstützt die Arbeit mit Mitteln aus seinem Stadtteilbudget.
Geleitet wird das Projekt von Geschichtslehrerin Claudia Nosper. "Die Schülerinnen und Schülern haben die Aufgabe begeistert angegangen. Leider läuft dieses Thema nicht parallel zum aktuellen Geschichtslehrplan für die elfte Klassenstufe, der nun wieder mit dem Mittelalter beginnt", sagt Nosper. Daher könne man nur hin und wieder eine Stunde für das Projekt einschieben, und sehr viel müsste von den Schülern zu Hause erarbeitet werden.
Im Februar sollen die ersten Ergebnisse im Ortsbeirat vorgestellt werden, der Abschluss des Projekts ist zu den Sommerferien 2014 vorgesehen.
In sieben Arbeitsgruppen gehen die Schüler an die Aufgabe heran - in Archiven, mit Besichtigungen, in Interviews, durch Kontakte mit ehemaligen Betroffenen. Erforscht werden die Geschichte der Trierer Juden von und während der NS-Zeit, die Geschichte des Rindertanzplatzes und des Bischof-Korum-Hauses. Andere Gruppen versuchen, Einzelschicksale aufzuspüren, beleuchten die Geschichte des alten Windstraßen-Gefängnisses sowie des Trierer Gestapo-Sitzes am Balduinsplatz und seine Rolle bei den Deportationen. Und nicht zuletzt werden auch Täterbiografien erforscht. Die Fragestellung dabei: Wer war maßgeblich für die Deportation der Trierer Juden verantwortlich, wer hat sie organisiert, was geschah mit den Tätern nach dem Krieg?
Die Ergebnisse sollen in einer Broschüre zusammengestellt werden. Hinzu kommt eine Wanderausstellung, die erstmals im Trierer Rathaus zu sehen sein wird.
Extra

Der Platz zwischen Glocken- und Sichelstraße wird heute als Parkplatz genutzt und ist umgeben von mehreren Baudenkmälern - das markanteste ist das Haus Fetzenreich an der Ecke Sichelstraße, unmittelbar daran schließt sich der historische Bau eines ehemaligen Hotels an, der inzwischen deutliche Spuren des Verfalls zeigt. Seit den 1970er Jahren verschwunden ist das Bischof-Korum-Haus, in der NS-Zeit eine Sammelstelle für Juden-Deportationen. Der Ortsbeirat Trier-Mitte/Gartenfeld strebt die Errichtung eines Denkmals an diese Zeit an und hat für die Vorarbeiten zunächst 5000 Euro aus seinem Budget bereitgestellt. Die Hochschule Trier ist bereit, die Geschichte der vorhandenen Baudenkmäler zusammenzutragen. Die Fachhochschule Darmstadt wird im nächsten Semester das Thema "Planung Gedenkstätte am Rindertanzplatz" anbieten. Der AVG-Leistungskurs untersucht und dokumentiert die Geschichte des Platzes und das Schicksal der Trierer Juden in der NS-Zeit. f.k.

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