Geschlechterkampf: Den Spieß umgedreht

Trier · Die Universität Leipzig nennt Gelehrte jeden Geschlechts nun Professorinnen in seiner Grundordnung und hatte sich mit dieser Reform in die Schlagzeilen katapultiert. An der Trierer Uni und der Hochschule ist keine Reform in Sicht.

Trier. Professor/innen, Professor und Professorinnen - es gibt viele Möglichkeiten, dasselbe auszudrücken. Die Rechtschreibung der Grundordnung der Universität Leipzig gehorcht inzwischen völlig neuen Regeln: Gelehrte jeden Geschlechts werden als Professorinnen bezeichnet. Wie sieht es in Trier aus? An der hiesigen Uni beträgt der Frauenanteil rund 60 Prozent. Eine Reform wäre ebenso denkbar wie in Leipzig. Was sagt der Trierer Uni-Präsident Michael Jäckel zu der Debatte? Nichts: "Herr Jäckel möchte sich zu dem Thema nicht äußern. Der Vorgang betrifft eine Angelegenheit der Universität Leipzig", lässt der Uni-Präsident über einen Mitarbeiter ausrichten.Betrifft der Vorgang denn tatsächlich nur die Universität Leipzig? Wird dort etwa eine andere Sprache gesprochen? Die Universität ist nicht die einzige Anlaufstelle für ein Studium in Trier. So sieht der Präsident der Hochschule Trier (vormals Fachhochschule), Norbert Kuhn, die Angelegenheit gelassener und hat eine klare Antwort parat: "Anhand der eigenen Reaktion - lachen und grinsen müssen, wenn man als Herr Professorin angeredet wird - wird klar, dass die richtige Anrede wichtig ist. Das gilt aber für Männer und Frauen. Der Weg, nur die weibliche Form zu nehmen ist nicht der Weg der Hochschule Trier - eine Diskriminierung sollte nicht mit einer anderen Diskriminierung beantwortet werden." Damit die Texte nicht durch riesige Wortungetüme unlesbar werden, setzen die Hochschulmitarbeiter auf Verkürzungen: So sprechen sie etwa statt von "Forscherinnen und Forschern" von "Forschenden".Und was halten Studierende von der Leipziger Idee? Der Name des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses Asta ist schon dem Sprachtrend angepasst. Der Asta versteht sich als Sprachrohr der Studierenden und soll sie bei wichtigen Entscheidungen vertreten. Was halten die Mitglieder davon, die Anrede Professorin für beide Geschlechter zu benutzen? Kajetan Weiß und Alexander Schimanowski vom Asta der Hochschule stehen dazu Rede und Antwort.Was halten Sie von der allgemeinen Verwendung der weiblichen Form für beide Geschlechter?Kajetan Weiß: Ich denke, es ist sehr ungewohnt im Sprachgebrauch. Ich glaube nicht, dass es sich durchsetzen wird, da die Wörter alle länger werden. Ich befürworte eine Kurzform für beide Geschlechter. Zum Beispiel Studierende für Studenten und Studentinnen.Alexander Schimanowski: Die Frage ist, ob es überhaupt wichtig ist zu betonen, dass die Geschlechter getrennt sind. Prinzipiell denke ich eher nicht. Aber auf jeden Fall ist so eine Form sehr ungewohnt und müsste sich erst längere Zeit in der Sprache etablieren. Außerdem gibt es eher andere Baustellen beim Feminismus. Zum Beispiel sollte das Gehalt bei selben Posten grundsätzlich gleich sein.Inwiefern gibt es überhaupt geschlechterbedingte Diskriminierung an der Hochschule?Weiß: Ich hoffe mal keine. Was die Gehälter angeht: In öffentlichen Einrichtungen sind sie festgelegt, von daher gibt es hier keine Unterschiede. Männer und Frauen sind hier gleichgestellt. Es ist sogar so, dass Studentinnen an dieser Hochschule im technischen Bereich explizit gefördert werden, da immer noch weniger Frauen als Männer an der Hochschule studieren.Schimanowski: Wenn ich mir jetzt die Erstsemester anschaue, finde ich, dass die Frauenanzahl in den Kursen gewachsen ist.Weiß: Es gibt jedenfalls extra verschiedene Organisationen, die Frauen in technischen Studiengängen fördern. Sie werben sie an, und es gibt extra Stipendien, die nur für Frauen sind. Was von manchen als unfair bezeichnet wird.Würde eine Regelung wie an der Universität Leipzig für mehr Gleichheit sorgen, oder schafft sie eine neue Ungleichheit?Schimanowski: Es soll ja eine Gleichheit erzielt werden, von daher wird das auch so sein. Wenn jemand diese Form konsequent vertritt, dann aber bitte in allen Bereichen und nicht nur bei Berufen. Jetzt als Extrembeispiel: Statt Vergewaltiger müsste man dann auch Vergewaltigerinnen benutzen.Ist geschlechtergerechte Sprache ein Thema an der Hochschule?Weiß: Es ist schon ein Thema. Bei E-Mails oder wenn eine gewisse Form gewahrt werden muss, benutzen wir die gegenderte (geschlechtergerechte) Sprache. Dazu verwenden wir Formulierungen, die Frauen und Männer einschließen. Besteht an der Hochschule in irgendeinem Punkt Verbesserungsbedarf, was die Gleichberechtigung der Geschlechter angeht?Schimanowski: Nein, ich habe nicht den Eindruck, dass etwas verbessert werden müsste.Weiß: Ehrlich gesagt: Die männlichen Bezeichnungen werden von unserer Generation anders verstanden. Professor schließt keinen aus, auch wenn an dem Wort eine Endung fehlt. In anderen Ländern, zum Beispiel in Amerika oder in England, gibt es diese Probleme ja gar nicht. Die Berufe haben nur eine Form, die benutzt werden kann, und trotzdem bezieht sich der Name auf Männer und Frauen. Extra

Als an der Universität Leipzig Mitte April eine Diskussion darüber entbrannte, welche Form in der Grundordnung benutzt wird, hat Physik-Professor Josef Käs einen Vorschlag gemacht, der ihn in die Schlagzeilen brachte: Man solle doch einfach nur noch die weibliche Form benutzen. Zu seiner Überraschung wurde der Vorschlag angenommen. Die Uni-Präsidentin begründete die Entscheidung damit, dass immer mehr Frauen studieren. In Leipzig gibt es inzwischen mehr weibliche als männliche Studierende, daher sei es angebracht, aus einem Professor eine Professorin zu machen, um dem Trend gerecht zu werden. ddn

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