Gesprächsfetzen am Geländer

Auf einer Party trifft sich die bessere Gesellschaft. Und auf dem Balkon. "Balkonszenen" von John von Düffel zeigte das Neue Theater Trier in der Tufa vor mehr als 100 Zuschauern. Die studentische Gruppe legt damit ihre vierte große Produktion vor und präsentiert als Laienschauspieltruppe, wie man ein zeitgenössisches und anspruchsvolles Stück professionell inszenieren kann.

 „Voll von langweiliger Angst“ und gefangen in einer heimlichen Affäre: Simone (Maximiliane Roßmöller, links) und Alex (Lisa Höpel). TV-Foto: Cordula Fischer

„Voll von langweiliger Angst“ und gefangen in einer heimlichen Affäre: Simone (Maximiliane Roßmöller, links) und Alex (Lisa Höpel). TV-Foto: Cordula Fischer

Trier. (cofi) Masken - die werden fallen. Fassaden werden eingerissen. Die Wahrheit enthüllt. Die bessere Gesellschaft feiert. Der dicken Luft zu entfliehen treten einzelne Personen, Paare nach draußen. Nächtliche Szenen, Fragmente lange schwelender Geschichten. Auf dem Balkon entladen sich Konflikte, explodieren Gefühle. Der Balkon wird zum Boxring, die Balustrade zur Waagschale der Menschlichkeit.

Flucht vor dem eigenen Selbst



Der Zuschauer findet sich als Zeuge wieder, schnappt wie zufällig Gesprächsfetzen am Geländer auf, Floskeln, Worthülsen, die Abgründe einpacken und sie gleichsam enthüllen: ein Konflikt zwischen Geschäftspartnern, ein handfester Ehestreit, ein Flirt, Angst vor Langeweile, Flucht vor Papparazzi, Flucht vor dem Leben, vor dem eigenen Selbst. "Eigentlich ein schöner Abend, nur die falschen Leute", stellt "das ideale Paar" fest.

Keine leichte Kost hat sich das Neue Theater Trier (NTT) mit dem Stück "Balkonszenen" von John von Düffel aus dem Jahr 2000 vorgenommen. Ein Stück, das keine romantische Tändelei à la Romeo und Julia imitiert, sondern Realität zu zeigen versucht und das an ihr kratzt. Unproblematisch sind die Vorbereitungen nicht verlaufen. Außer zwei Mitgliedern, Stephan Pitten (Regie, Programmheft, Schauspieler) und P. Bastian Welte (Schauspieler, Plakatgestaltung), musste die gesamte Gruppe neu gebildet werden.

Die Hauptdarstellerin wurde während der Arbeit krank. Mit Maximiliane Roßmöller hat das NTT aber nicht nur Ersatz, sondern eine erstklassige Mimin gefunden: Selbst echte Tränen hat sie geweint - authentisch und glaubhaft - obwohl sie als Simone mit nüchternem Kalkül konstatiert: "An meinen Tränen interessiert mich ihre Umsetzbarkeit." Wenn es um die Umsetzung, die Wahl des Stücks und die Inszenierung geht, dann hat das NTT gute Arbeit geleistet, zumal es komplett ohne Dozenten im Hintergrund arbeitet und aus Gesprächsfetzen ein stimmiges Ganzes abgeliefert hat.

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