Gestrandet in einer "anderen Welt"

Um Pensionsansprüche zu haben, muss der glücklose Dezernent Ulrich Holkenbrink sich noch einmal zur Wahl stellen - auch wenn er den Rückhalt in der CDU nach zahllosen Bauchlandungen längst verloren hat.

 Glücklos und ohne Rückhalt in der CDU: Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Glücklos und ohne Rückhalt in der CDU: Kulturdezernent Ulrich Holkenbrink. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Trier. Das Wahlergebnis war erst wenige Stunden alt, da trat die frisch gekürte CDU-Fraktion am vorvergangenen Montag schon zusammen, um gewichtige Entscheidungen zu treffen. Die Wahl Berti Adams zum Fraktionsvorsitzenden war dabei die leichteste. Bauchschmerzen machte dagegen der Entschluss, dem Beigeordneten Ulrich Holkenbrink - der schon im Dezember 2007 erklärt hatte, noch einmal als Dezernent kandidieren zu wollen - den Beistand zu versagen.

Ernsthaft rechnen mit einer Unterstützung seiner Kandidatur aus den eigenen Reihen konnte Holkenbrink allerdings schon länger nicht mehr. Zu glücklos war er in den vergangenen Jahren gewesen.

1994 vom Parteistrategen Christoph Böhr zur Kandidatur für den Stadtrat überredet, sammelt Holkenbrink auf Listenplatz 40 so viele Personenstimmen, dass er nach vorne schießt. "Und plötzlich saß ich im Rat", erklärt der Lehrer für Musik, Französisch und Erdkunde bei einem Karriere-Rückblick. Es folgt der Aufstieg zum CDU-Kreisparteichef, und 2001 stellt die CDU ihren Kultursprecher der Stadtratsfraktion als Nachfolger für den damaligen SPD-Kulturdezernenten Jürgen Grabbe auf. Knapp gewinnt Holkenbrink die Wahl - und kündigt nach 18 Jahren Schuldienst seine Beamtenstellung beim Land. Die Erfolgsmeldungen bleiben zunächst nicht aus: 2002 schreiben die Antikenfestspiele erstmals ein zartes Plus, das bis heute nicht auf eigenen Füßen stehende "Brot-und-Spiele"-Festival entwickelt sich zum Publikumsmagneten, und dass in Triers Schulen seit Jahren viel zu wenig Geld zum Erhalt der Bausubstanz floss, zeichnete sich zwar ab, ist aber noch nicht das alles beherrschende Negativ-Thema in seinem Dezernat. Selbst das höchste Amt der Stadtverwaltung traut seine Partei ihm - Sohn des langjährigen rheinland-pfälzischen Verkehrsministers Heinrich Holkenbrink - zu: Statt des gewieften CDU-Sozialdezernenten Georg Bernarding - der durchaus Interesse hat - wird Holkenbrink 2005 Kandidat für den Oberbürgermeister-Stuhl. Doch schon im Wahlkampf scheint er seinem Konkurrenten Klaus Jensen unterlegen, der von der Wechselstimmung nach 50 Jahren CDU-Führung in Trier profitiert. Die Klatsche trifft mit großer Wucht: Der als unabhängiger Kandidat angetretene Jensen siegt mit einer überdeutlichen Zweidrittel-Mehrheit. Als Parteivorsitzender ist Holkenbrink nach der Niederlage nicht mehr zu halten, Bundestagsabgeordneter Bernhard Kaster übernimmt. Mit Holkenbrink geht es steil bergab, alles fliegt ihm um die Ohren. Mehr als 50 Millionen Euro fehlen für die Sanierung der Trierer Schulen, der ambitionierte Schulentwicklungsplan mit den großen Linien für die Trierer Schulpolitik lässt auf sich warten und verkommt zum Spielball der Parteipolitik. Auch die künstlerischen und organisatorischen Defizite der Antikenfestspiele werfen den Kulturdezernenten aus der Bahn. Der Kritik hält er nicht stand und moderiert die einst als bundesweites Kultur-Vorzeigeprojekt geplanten Spiele für 2009 kurzerhand ab. Dass das Theater für 20 Millionen saniert werden muss, erfährt die Öffentlichkeit erst, als das Haus kurz vor der Schließung wegen Baufälligkeit steht. Jüngste Bauchlandung Holkenbrinks: Nur vier Wochen, nachdem er den Tarforstern - die seit mehr als einem Jahrzehnt auf ihre neue Grundschule warten - zugesagt hatte, dass das im Bau befindliche Schulgebäude nach den Sommerferien bezugsfertig sei, muss er einen Rückzieher machen: Die Bauarbeiten verzögern sich noch einmal - die interne Kritik der Tarforster CDU fällt harsch und heftig aus.

Ob er jemals bereut hat, den Schuldienst gegen die Kommunalpolitik eingetauscht zu haben? "Lehrer war der Beruf, den ich 25 Jahre lang mit Leib und Seele sehr gerne gemacht habe", weicht Holkenbrink aus. "Hier im Rathaus ist das schon eine ganz andere Welt."

Seine erneute Kandidatur kann er sich trotzdem nicht ersparen: Mit der Kündigung des Lehrerjobs verzichtete Holkenbrink nicht nur auf alle finanziellen Ansprüche, sondern auch auf eine Wiedereinstellung. Und Pensionsansprüche aus dem Dezernentendienst entstehen eben erst nach der zweiten Kandidatur - unabhängig vom Wahlausgang.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort