Gewalt gegen Polizisten: Amtsgericht verurteilt 19-Jährigen zu Jugendstrafe auf Bewährung

Wittlich/Meerfeld · Ein junger Mann verletzt einen Polizeikommissar nach einem Routineeinsatz derart schwer, dass dieser drei Monate dienstunfähig ist. Das Wittlicher Jugendschöffengericht hat den heute 19-Jährigen am Dienstag zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt.

Wittlich/Meerfeld. Es ist die allerletzte Chance eines jeden Angeklagten: Mit dem sogenannten "letzten Wort" gibt ihm die Strafprozessordnung die Möglichkeit, die Richter milde zu stimmen, bevor diese sich zur Urteilsverkündung zurückziehen. Der Angeklagte kann seine Person ins rechte Licht rücken, einen Eindruck korrigieren, der während des Prozesses entstanden ist. Der 19-Jährige, der sich am Dienstag wegen Unfallflucht, gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung vor dem Wittlicher Jugendschöffengericht verantworten muss, lässt diese Chance ungenutzt verstreichen.

Selten hätten sich die Prozessbeteiligten wohl sehnlicher ein letztes Wort von einem Angeklagten gewünscht. Den Ansatz einer Erklärung vielleicht, warum er in einer Juli-Nacht 2014 in einer eigentlich harmlosen Situation derart ausrastete, dass vier Polizeibeamte nötig waren, um ihm Handschellen anzulegen. Oder ein Wort des Bedauerns darüber, dass er dabei einen heute 30-jährigen Polizeikommissar so sehr verletzte, dass dieser drei Monate lang dienstunfähig war und noch heute unter den Folgen des Geschehens leidet. Doch der Angeklagte schweigt und wirkt dabei ähnlich teilnahmslos wie während des gesamten Prozesses.

Rückblick: eine laue Sommernacht am Meerfelder Maar, beliebter Treffpunkt für Jugendliche. Der Angeklagte dreht auf dem Parkplatz Runden mit seinem Wagen, ein Kumpel hängt sich dabei aus dem Fenster. Dann passiert das Missgeschick: Das Auto des damals noch 18-Jährigen bricht in einer Kurve aus, touchiert dabei einen Parkscheinautomaten. Dem Freund passiert zum Glück nichts. Gemeldet wird der Unfall nicht.

Eine Nacht später, wieder ist der Angeklagte am Meerfelder Maar, in der Grillhütte steigt eine Party. Seinen deutlich verbeulten Wagen stellt er auf dem Parkplatz ab - unweit des beschädigten Parkscheinautomaten. Ein Zeuge zählt eins und eins zusammen und ruft die Polizei. Die Beamten machen eine Halterabfrage. Schnell ist der Angeklagte identifiziert, doch er leugnet, Verursacher des Schadens zu sein."Sinnlos in jeder Hinsicht"


Seine Stimmung kippt, als die Polizisten das Auto sicherstellen wollen: Der junge Mann wirft den Autoschlüssel weg. Einem Beamten, der ihn daran hindern will, schüttet er den Inhalt seines Weizenglases ins Gesicht und schlägt ihm das Glas auf den Arm. Dessen Kollege eilt hinzu. Diesem schlägt der 18-Jährige das Glas ins Gesicht. Der Beamte blutet stark, ist benommen, doch der 18-Jährige lässt nicht von ihm ab, bohrt das zerbrochene, spitzkantige Glas in dessen Rücken. Zu seinem Glück trägt der Polizist eine Schutzweste. Erst mithilfe von zwei weiteren Beamten kann der Angeklagte gebändigt werden, verbal teilt er weiter aus.

Der Polizeikommissar erleidet eine Schädelprellung und Schnittwunden im Gesicht, die genäht werden müssen und Narben hinterlassen. Weitere Glassplitter müssen operativ entfernt werden. Wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ist er neun Wochen im Krankenhaus. Wie aus einer zunächst harmlosen Situation ein solcher Gewaltexzess werden konnte, bleibt auch nach der Beweisaufnahme ein Rätsel. Übermäßig alkoholisiert war der Angeklagte nicht: Eine Blutprobe ergab einen Wert von 0,62 Promille.

Als "sinnlos in jeder Hinsicht" bezeichnet Richter Josef Thul dessen Verhalten. Das Gericht verurteilt den 19-Jährigen zu einer Jugendstrafe von 21 Monaten. Der Vorfall, sagt Thul mit Blick auf die vielen Polizeibeamten, die den Prozess als Zuschauer verfolgen, habe Eindruck bei der Wittlicher Polizei hinterlassen: "Wenn jetzt schon ein völlig unbedeutender Verkehrsunfall mit Unfallflucht Anlass ist, dass man als Polizeibeamter derart attackiert wird, dass Leute in Lebensgefahr gebracht werden, dann ist das schockierend."

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