Gezähmte Sauer ohne Damm

Ralingen/Steinheim · Ein breiteres Flussbett, weniger Ufervegetation: Das soll die Gemeinden an der unteren Sauer künftig vor Hochwasser bewahren. Der naturnahe Schutz wurde jetzt offiziell eingeweiht. Zudem haben die Flussanlieger auf deutscher und luxemburgischer Seite eine Hochwasserpartnerschaft ins Leben gerufen.

 Heinrich Krzywon von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nordzeigt auf die neu angelegte Kiesinsel und den durch Erdaushebungen geschaffenen Seitenarm der Sauer bei Ralingermühle. TV-Foto: Christa Weber

Heinrich Krzywon von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nordzeigt auf die neu angelegte Kiesinsel und den durch Erdaushebungen geschaffenen Seitenarm der Sauer bei Ralingermühle. TV-Foto: Christa Weber

Ralingen/Steinheim. Die Fluten kamen innerhalb weniger Stunden, 40 Keller liefen voll, in manchen Wohnzimmern stand die Sauer 80 Zentimeter hoch. "Das ging so schnell damals, so was hatten wir seit 100 Jahren nicht gehabt", erinnert sich Oswald Disch, Ortsbürgermeister in Ralingen, an das Jahrhundert-Hochwasser, das den Ort am 3. Januar 2003 heimsuchte.
Damit sich ein solches Szenario nicht wiederholt, haben die Gemeinden an der unteren Sauer gehandelt. Im luxemburgischen Steinheim gründeten Vertreter von deutscher und luxemburgischer Seite eine Hochwasserpartnerschaft. Ihr Ziel: Kommunen und Fachverwaltungen beider Länder wollen ihre Vorsorge verbessern, beispielsweise durch hochwasserangepasstes Bauen und Sanieren. Geplant sind zudem eine Kooperation beim Katastrophenschutz sowie Workshops zur Information betroffener Anwohner. Ein länderübergreifendes Projekt ist bereits realisiert: der ökologische Hochwasserschutz zwischen Ralingen und Steinheim. Damit soll es so naturnah wie möglich gelingen, ganz ohne Dämme und Mauern den Wasserspiegel der Sauer um bis zu 80 Zentimeter abzusenken und Überschwemmungsschäden in den Gemeinden zu verringern.
Seit dem Frühjahr 2009 sind dazu mehr als 320 000 Kubikmeter Erdmasse aus dem Flussbett ausgehoben und per Lastwagen in einen Steinbruch bei Eisenach (Eifelkreis Bitburg-Prüm) transportiert worden. Zusätzlich wurden Nebenarme geschaffen und die Ufervegetation durch das Roden von Büschen und Bäumen ausgedünnt. Dank dieser Arbeiten bei Ralingen, Edingen, Minden und Steinheim soll das Wasser der Sauer im Ernstfall schneller ablaufen.
Die EU hat das sechs Millionen Euro teure Projekt zu 30 Prozent gefördert. Die Investitionskosten auf deutscher Seite teilen sich das Land Rheinland-Pfalz (90 Prozent) und die Verbandsgemeinde Trier-Land (zehn Prozent). Nach den ersten Erfahrungen mit dem neuen Hochwasserschutz im Winter ist man in den betroffenen Gemeinden von dessen Wirksamkeit überzeugt: "Es ist ein wichtiger Teilerfolg, bei uns sind keinerlei Schäden entstanden", sagt Romain Osweiler, Bürgermeister von Rosport. Dem stimmt auch sein Ralinger Kollege Disch zu.
Laut Projektleiter Heinrich Krzywon von der Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord muss sich der Schutz noch weiter bewähren. Das Hochwasser 2011 sei "nur mittelmäßig stark" gewesen. Ein Konzept für den Unterhalt der Anlagen soll noch erstellt werden.Meinung

Bewährungsprobe steht noch bevor
Die frisch eingeweihten Anlagen an der unteren Sauer sind ein wichtiger Schritt in Richtung eines wirksamen Hochwasserschutzes, der ohne hässliche Betonwände auskommt und die Flusslandschaft in ihrem natürlichen Zustand erhält. Ob dieser Schutz allerdings Jahrhundert-Fluten wie zuletzt im Jahr 2003 standhalten kann, wird er erst noch beweisen müssen. Die Pegelstände des vergangenen Winters waren dafür ein erster Fingerzeig, aber noch kein echter Gradmesser. Bewähren muss sich auch die grenzübergreifende Zusammenarbeit der frischgebackenen Hochwasser-Partner. Das zeigt ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit: Im Juli senkten die Luxemburger bei Wehrarbeiten in Rosport den Sauerpegel um zwei Meter ab, ein Seitenarm auf deutscher Seite trocknete aus und Tausende Jungfische starben. Die deutschen Wasserbehörden waren nicht informiert worden. Wenn es den beiden Seiten um eine wirkliche, funktionierende Partnerschaft geht, sollten solche Kommunikationspannen künftig nicht mehr passieren. c.weber@volksfreund.de

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