Gezahlt wird 30 Jahre später

Trier · In den 1970ern hat Trier mit der Sanierung seiner "Problemviertel" begonnen. Die Wertsteigerung der Grundstücke wird den Anliegern erst in den nächsten Jahren in Rechnung gestellt.

Es ist ungefähr so, als müsse man Steuererklärungen der letzten drei Jahrzehnte nachholen - nur schlimmer. Seit zwölf Monaten sind vier Mitarbeiter der Trierer Stadtverwaltung nahezu ausschließlich damit beschäftigt, jede Rechnung, jede Quittung herauszusuchen, die bei den Bauarbeiten in den Sanierungsgebieten der Stadt seit 1972 angefallen sind. "Wie lange wir dafür noch brauchen, ist nicht absehbar", sagt Bruno Rommelfanger, Leiter des Bauverwaltungsamtes. Doch ohne Nachweis, wie viel wofür in den Sanierungsgebieten ausgegeben wurde, weigert sich das Land, weiteres Geld zur Verfügung zu stellen. Die Ausweisung von Trier-West als Sanierungsgebiet muss daher auf die lange Bank geschoben werden.

Ins Hintertreffen geratene Stadtteile können laut Baugesetzbuch als Sanierungsgebiete ausgewiesen werden. Vereinfachte Zuschussbedingungen sollen eine schnellere Entwicklung von Infrastruktur und Bausubstanz ermöglichen. Anlieger werden zum Beispiel von ihren Beiträgen an Straßenausbauten befreit. Private Bauherren erhalten Sanierungszuschüsse und Steuervergünstigungen. Auch der Verfahrensweg zum Neuzuschnitt von Grundstücken durch die Kommune ist in Sanierungsgebieten vereinfacht.

Doch so schnell und einfach, wie vom Gesetzgeber ursprünglich gedacht, geht es trotzdem nicht: Waren ursprünglich zehn bis 15 Jahre Sanierungszeit angedacht, hat es nicht nur in Trier, sondern zum Beispiel auch in Wittlich 30 Jahre und länger gedauert.

Dabei sind die Zuschüsse des Landes für Straßenausbau, die Herrichtung von Plätzen, neuen Bustrassen, Grünflächen und verkehrsberuhigten Zonen zunächst Darlehen. Ist das Stadtviertel fertig saniert, muss die Stadt jeden ausgegebenen Euro nachweisen und gegebenenfalls Teile der bereits gezahlten Zuschüsse zurückzahlen. Auch Eigentümer werden zur Kasse gebeten: Die Wertsteigerung, die ihre Grundstücke durch die Sanierungen der Wohnquartiere erfahren haben, wird in bare Münze umgerechnet und muss per Ausgleichszahlung an die Stadt abgegolten werden. Welche Grundstücke in den Sanierungsgebieten liegen, ist im Grundbuch vermerkt. Dass Grundstücksbesitzer in drei Jahrzehnten jedoch wechseln und eine einstige Wertsteigerung durch eine Straßensanierung 30 Jahre später wieder obsolet sein könnte, macht die Sache nicht einfacher.

"Wie viel da auf wen zukommt, können wir noch überhaupt nicht sagen", erklärt Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani die komplizierte Gemengelage. Mit Klagen der Anlieger rechne man dagegen schon fest.

Sanierungsgebiete: Trier-Süd: Aul-/Matthiasstraße (seit 1972, erweitert 1993) Trier-Ehrang, Ortskern (seit 1992) Trier-Petrisberg: Krone Belvedere (seit 2003) Trier-Mitte: Weberbach/Rahnen-/Kaiserstraße und Walramsneu-/Jakobstraße (beide seit 1972, werden zurzeit abgerechnet)

Meinung

Unerträgliche Zeitspanne

Vier Verwaltungsmitarbeiter sind nach einem Jahr so weit, dass demnächst für zwei der fünf Sanierungsgebiete Rechnungen aus 37 Jahren vorliegen. Dann müssen "nur" noch Dutzende Gutachten klären, wie viel Wert jedes Grundstück durch die Sanierungen in den letzten drei Jahrzehnten gewonnen - und schon wieder verloren hat. Und sobald dann die absehbare Klagen-Flut gegen diese Festsetzung verhandelt ist, können die Anlieger "schon" zur Kasse gebeten werden. Ob sich dieser Aufwand lohnt? Unrecht hat das Land jedoch nicht damit, auf die Abrechnung zu pochen. Immerhin mussten Anlieger in Sanierungsgebieten bislang noch nicht einmal etwas zum Straßenausbau dazu tun, wie es in jedem anderen Wohngebiet üblich ist. Unerträglich ist dabei jedoch die überlange Zeitspanne zwischen Sanierung und Abrechnung. Manch einer dürfte sich kaum noch daran erinnern, wofür er demnächst eine saftige Rechnung erhält. c.wolff@volksfreund.de

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