Glaube „Chill mal, meine Seele!“

Chill mal hart!“, sagte mir vor ein paar Wochen ein sehr guter Freund, als mal wieder alle Tage zu wenig Stunden hatten. Und ich dachte „Was willst du? Wenn das immer so leicht wäre.“ Irgendwann war der Gedanke weg.

 Pfarrerin Vanessa Kluge.

Pfarrerin Vanessa Kluge.

Foto: kraemer katja

Mittwochmorgen gähne ich mit weitoffenem Mund. Wie immer. Aber es knackt. Höllischer Schmerz im Kiefer. Verrenkt. „Ah – Kiefersperre“, sagt mein Orthopäde, „das ist nicht angenehm.“ Nein – ist es nicht! Er massiert meinen Kiefer langsam wieder in die richtige Stellung. Während ich da liege, fällt mir die Mahnung des Freundes wieder ein. „Chill mal hart!“ Beim ersten Hören war ich verstört. Hart chillen. Das ist ein Widerspruch. Genauso hab ich darauf reagiert. Er hat es einfach wiederholt. Hm – hart chillen, sich hart entspannen? Gar nicht so leicht. Mal 5 Minuten Pause machen, mal nicht an Arbeit denken. Da achte ich drauf. Aber „Chill mal hart!“ ist kein Ausdruck, der zu mir gehört.

„Jetzt können Se mal nicht reden. Jetzt lassen Se mal alles locker.“, sagt der Orthopäde und beherzt werden Kieferknochen und Nacken bearbeitet. Plötzlich verstehe ich den mir so fremden Ausdruck. „Chill mal hart!“. Es ging dem Freund nicht um die 5-Minuten-Pause. Ihm ging es um mehr. Wäre er der Psalmbeter, hätte er gesagt „Gott, bei dir kommt meine Seele zur Ruhe.“ Das ist mehr als eine Pause. Das ist ein ganz zu sich kommen. Auch ein In-sich-Ruhen. Wohltuender lebenskraftschenkender Stillstand – übrigens genauso ein Widerspruch. Aber es macht Klick. In Gedanken sage ich mir: „Chill mal hart“ ist immer noch nicht mein Wort. Aber: „Chill mal, meine Seele, komm bei Gott zur Ruhe.“ Das schreib ich mir mal hinter die Ohren. Schön nah beim Kiefer!

Pfarrerin Vanessa Kluge, Ehrang, vanessa.kluge@ekkt.net

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